Ein Ja zur Mundartinitiative ist angesichts der Sprachbruchteile, die bei Ablehnung der Initiative vermittelt werden sollen, sinnvoll. Am klügsten allerdings wäre es gewesen, man würde auch heute nicht regeln, was jahrzehntelang ungeregelt bestens funktionierte, nämlich die Sprache im Kindergarten.
Dass sich unsere Gesellschaft zunehmend durch Gesetze einengt, lässt sich an der Mundart-Initiative zeigen, die am 15. Mai zur Abstimmung kommt: Egal ob man für oder gegen „grundsätzlich Mundart im Kindergarten“ ist: Es wird geregelt, was jahrzehntelang ungeregelt bestens klappte, nämlich die Sprache im Kindergarten.
Finden Kinder Verständnis und Vertrauen, ist ihnen die Sprache egal. Im Chindsgi ist Vertrauen in sich und die Umwelt gewinnen wichtiger als Sprachunterricht. Deshalb spielt es auch kaum eine Rolle, wenn ab und zu eine Kindergartenlehrerin hochdeutsch spricht: Auch Deutsche und Frühförder-Fanatikerinnen können “lieb“ sein, Kinder begeistern und zur Schulreife erziehen.
Das neue Volksschulgesetz vom 7. Februar 2005 erklärt den Kindergarten zur kantonalen Angelegenheit (statt Gemeinden) und legt fest, dass die Unterrichtssprache teilweise Hochdeutsch sein muss. Logisch, dass der Bildungsrat zur Umsetzung des Gesetzes einen Lehrplan erliess (wie für die übrige Volksschule) und logisch, dass dieser Aussagen zur Unterrichtssprachen enthält. „Teilweise“ wurde definiert: Mindestens zu je einem Drittel muss im Chindsgi Hochdeutsch und Mundart gesprochen werden. Einige Politiker der EVP, die zuvor für das neue Volksschulgesetz eingestanden sind („man kann nicht immer nein sagen, wie die SVP“) waren nun die ersten, welche die Folgen bekämpften: Schliesslich sammelten sie mit Hilfe der SVP in Kürze die Unterschriften für die Mundart-Initiative.
Hinter den Kulissen, als der Kantonsrat die Haltung zur Initiative diskutierte, hatte mein Vorschlag zur Einigung keine Chance. Ich wollte ganz auf eine Regelung verzichten, wie früher. Den Lehrplan für das Sprachenlernen im Chindsgi aufheben, entsprechende Artikel im Gesetz streichen und die Initiative dafür zurückzuziehen. So tönte es bei den Frühförder-Ideologen: „Hochdeutsch muss bleiben, damit alle Kinder die gleichen Chancen haben beim Übertritt in die Schule“, und so bei den Mundart-Initianten: „Jedes Kind muss Mundart lernen“. Ich staunte nicht schlecht: Plötzlich war Mundart nicht mehr nur freiheitliche Alternative zum Hochdeutsch-Zwang, sondern wird selbst zum Gegenstand der Frühförderung. Die Revolution frisst ihre eigenen Kinder.
Als Stimmbürger kann man am 15. Mai ungesehen aller Hintergründe nur noch für oder gegen die Initiative stimmen. Aus folgenden Gründen empfehle ich ein „JA“ einzulegen:
– „Grundsätzlich Mundart“ ist einfacher, als Mundart und Hochdeutsch zu je mindestens einem Drittel (wie es heute im Lehrplan steht). Man stelle sich einmal vor, ein Schulpfleger wolle Sprachbruchteile kontrollieren…
– Mundart ist die Sprache der Bevölkerung, der Gemeinde, Region, des Kantons und der Schweiz. Sie repräsentiert unsere Vielfalt. Wer wirklich zu uns gehören will, muss sie lernen, mindestens sich bemühen. Mundart ist die Sprache auf dem Pausenplatz und deshalb die Sprache der wirklichen Integration.
– Die eigene Muttersprache gut können (für die meisten Kinder die Mundart) ist die beste Basis für alles spätere Sprachenlernen.
– Mundart als Lernziel ist, wenn schon, dann höchstens im Kindergarten sinnvoll.
– In Mundart können Dinge, die mit Vertrauen, Beziehung und Emotionen zu tun haben, besser gelernt (und gelehrt) werden. Im Kindergarten ist das wichtigste Ziel die Sozialisation der Kinder, dass sie in der Schule in vielen nicht kognitiven Bereichen schon selbständig handeln können, Vertrauen in sich und ihr Umfeld gewinnen. Mit Mundart geht’s besser.
– Wenn unsere Kinder zum ersten Mal täglich ausser Haus sind, soll es ihnen möglichst einfach gemacht werden, sich wohl zu fühlen.
Gehen Sie Stimmen!
Zur Ergänzung sei noch angefügt, dass mit dem neuen Volksschulgesetz leider auch die Verpflichtung, die Mundart gleichwertig mit dem Hochdeutscvh zu pflegen, verschwunden ist. Auch das hat das Initiativkomitee alarmiert. Ich bin der Auffassung, dass die Mundart einen definierten Stellenwert erhalten soll, sowohl im Gesetz als auch in den Lehrplänen.