Editorial – Hüntwanger Mitteilungen – Begegnen heisst existieren

Eine der schönsten Tätigkeiten als Gemeindepräsident ist das Überbringen von Blumen im Namen der Gemeinde an Seniorinnen und Senioren, bei Hochzeitsjubiläen und dem 80., 85., 90. und ab dem 95. an jedem Geburtstag. Auch wenn oft nur der kurze Kontakt an der Türe möglich ist: Die Begegnungen freuen mich immer sehr.

Viele der Besuchten lebten schon in Hüntwangen, als ich ein Kind war, sie waren damals jünger, als ich heute bin.

In einem Dorf trifft man sich immer wieder zufällig, an Anlässen, Eltern von Schulfreunden, Grosseltern von Schulkolleginnen meiner Kinder, im Volg, am Bahnhof, und, und… So werden sogar Menschen, die man gar nicht so gut kennt und die vielleicht – ich weiss es nie genau – «das Heu nicht auf derselben Bühne haben» zum Inventar im eigenen Leben. Und damit zur Herzensangelegenheit.

Viele das Dorfbild prägende Menschen aus meiner Kindheit sind jedoch nur noch Erinnerungen, die verblassen. Je älter man selbst wird, desto weniger ist möglich, dass Erinnerungen sich mit realen Begegnungen auffrischen, desto mehr Menschen, die man kannte, mussten gehen. Reale Begegnungen zeigen deshalb nicht nur, dass das Gegenüber existiert, sondern auch, dass man selbst noch existiert. Deshalb sollte man ab und zu die eigenen vier Wände verlassen.

Zum Beispiel Richtung Ortsmuseum, geöffnet immer am ersten Sonntag im Monat von 14 bis 17 Uhr. Neben der Dauerausstellung lohnt sich die jährlich wechselnde Sonderausstellung, heuer zum Thema Elektrizität, die es seit 111 Jahren in Hüntwangen gibt. Dabei treffen Sie nicht nur Erinnerungen in Form von Gegenständen, Dokumenten und Wissen – sondern auch Menschen.

Begegnung mit Seniorinnen und Senioren sind immer auch ein Blick in die eigene Zukunft. Ich habe Menschen getroffen, die Kinder umsorgt haben, Unternehmen gegründet oder einen Bauernhof geführt haben, jeden Tag mit dem Fahrrad zur Arbeit fuhren, in Vereinen aktiv gewesen sind, kritisch diskutiert und gelacht haben – und gegen Schluss des Lebens wieder so hilflos waren, wie sie es bereits als Baby gewesen sind. Krankheiten – oder Unfälle – können unerbittlich sein. Solche Begegnungen zeigen den Kreis des Lebens: Wir sind – am Anfang und manchmal schon lange vor Schluss – völlig egal, welche Helden wir sind oder waren – auf Hilfe der Gemeinschaft angewiesen. Unausweichlich. Anfänglich vielleicht nur, weil alles ein bisschen länger Zeit braucht als in der Jugend, irgendwann schlicht für alles, auch für das Anziehen, Essen und Denken. Dafür braucht sich niemand zu schämen, erst recht nicht die Angehörigen. Wir sollten pflegebedürftige Menschen in der Mitte unserer Gemeinschaft begrüssen, denn die Begegnung gibt beiden Seiten Würde: Die des nicht vergessen Werdens und die des nicht Vergessens.

In der Mitte des Dorfes sollen während der nächsten Legislatur Alterswohnungen gebaut werden mit einem schönen Fussweg und Spielplatz/Sitzgelegenheiten zwischen Bushaltestelle und Bibliotheksgebäude. Gleich gegenüber liegt die Pflegewohngruppe Rössli, wo Menschen wohnen, die auf Hilfe angewiesen sind. Ich hoffe, dass Begegnungen zunehmen. In unserer Mitte.

Ich hoffe auch, dass wir zusammen mit der Schule ein gesellschaftliches Begegnungsprojekt für Jugendliche hinkriegen. «Rafzerfeld rücksichtsvoll» oder so könnte der Titel lauten, mit Achtsamkeit, Fürsorge und Elternunterstützung als Grundhaltung, statt Angst vor Vandalismus, Schimpfis und Ausgrenzung.

Und ich hoffe, dass wir beim Dorffest 2023 auf das eine oder andere Erreichte anstossen können. Mühlen mahlen langsam, aber stetig.

Zum Erreichten: Glücklich bin ich, dass unsere Gemeindeverwaltung nun personell wieder komplett ist, dynamisch und professionell aufgestellt. Frau Keller, als Gemeindeschreiberin, ist nun schon eineinhalb Jahre bei uns, Frau Gonzalez durfte ich im letzten Editorial begrüssen und sie ist bestens gestartet. Heute darf ich Ihnen als neue Leiterin Steueramt Frau Ulrike Boll ankünden. Wir haben jetzt motivierte Spezialistinnen in jeder Funktion und ein dynamisches Team, dem eine professionelle und korrekte Verwaltung ein grosses Anliegen ist. Ich bin sehr froh.

Matthias Hauser, Gemeindepräsident
matthias.hauser@huentwangen.ch