Hintergründiges zum Budgetmarathon oder „Wegen 130’000 spreche ich nicht mit Ihnen!“

Ratsbericht der ersten Runde Budgetdebatte vom 9. und 10. Dezember. Geschrieben für den Zürcher Boten Nr. 50/2013.

Nullrunde zu Carlos

Die Kantonsratssitzung vom vergangenen Montag, 9. Dezember, begann mit einem leisen Paukenschlag: Niemand meldete sich zu Wort, als Kantonsratspräsident Bruno Walliser beantragte, die Traktanden 7 und 8 abzusetzen. Der Antrag stammt von der Geschäftsleitung – in diese eingebracht wurde er von der FDP. Als Mitglied der Finanzkommission (Fiko) muss ich sagen: Zu Recht. Schliesslich hat die Fiko der Finanzkontrolle (= unsere vollamtliche unabhängige und seriöse Rechnungsrevisionsstelle, direkt dem Kantonsrat unterstellt) den Auftrag erteilt, die Oberjugendstaatsanwaltschaft einer näheren Prüfung zu unterziehen. Und eine Carlos-Debatte ohne vorgängig seriöse Abklärung der finanziellen Umstände rund um das monatlichen 29‘000-Franken-Setting für den jugendlichen Straftäter wäre ja reine Schaumschlägerei. Und solche finden bekanntlich im Zürcher Ratshaus keine statt.

Sieben Königreiche statt eine Regierung

So kamen wir umso schneller zum Budget. Optimisten hatten am Montagmorgen noch die Hoffnung, am Dienstagabend dank dem Wegfall von Carlos das Budget durchberaten und die Steuern gemäss SVP-Antrag um drei Prozent gesenkt zu haben. Doch weit gefehlt: Bildungsdirektion, Baudirektion und die Elefantenrunde mit den Fraktionspräsidenten werden auf nächste Woche verschoben. Beim Budget hat der Kantonsrat keine Wahl: Eintreten ist obligatorisch. So wird in der Grundsatzdebatte mit den Hauptforderungen der Fraktionen das Verhandlungsfeld der kommenden Sitzungen abgesteckt. Für die SVP tat dies Martin Arnold. Er schilderte zuerst, was die Regierung will:

  • Ein Aufwandüberschuss von 184 Millionen bei einem Gesamtaufwand von 14.667 Milliarden
  • Laufend steigende Personalkosten
  • Laufend steigende Steuererträge
  • Eine Verschuldung, die gegenüber 2009 auf 137.7 Prozent wächst
  • 13.4 Milliarden Fremdkapital obwohl das verfügbare Finanzvermögen nur 7.7 Milliarden ausmacht: D.h. Zinsaufwand auch für Kernaufgaben des Staates

Arnold warf dem Regierungsrat mangelnder Führungswille vor: Sieben Direktionen sind sieben Königsreiche statt eine Regierung, die die Finanzen im Griff hat. Die Finanzkommission habe das Budget um 87.5 Millionen verbessert und damit den Aufwandüberschuss der Regierung beinahe halbiert. Der SVP aber ginge das zu wenig weit. Die SVP will

  • Einsparung von 300 Millionen über den gesamten Kantonshaushalt
  • Senkung der Staatssteuer um 3%
  • Der Mittelentzug soll die Regierung zu echten Einsparungen motivieren

Sportliche Ziele für unsere Fraktion. Mit zahlreichen Anträgen zum Budget haben wir deshalb bereits im Vorfeld in den ständigen Kommissionen versucht, Mehrheiten zu schaffen. Diese Anträge verlängern zwar die Debatte – angesichts der düstereren Finanzzukunft unseres Kantons ist das aber das kleinere Übel. Zur „düsteren Zukunft“: Gemäss Budgetentwurf des Regierungsrates soll der Aufwand der laufenden Rechnung alleine von 2013 auf 2014 um 464 Millionen auf 14.52 Milliarden wachsen. Bis ins Jahr 2017 soll der Aufwand dann – etwas weniger steil – 15.272 Milliarden erreichen. Interessant ist, dass die Regierung beim Steuerertrag genau mit umgekehrter Tendenz prognostiziert: Dieser wächst Richtung 2017 immer schneller. Das nennt man Optimismus!
Diesen teilt die FDP: Sie begnügt sich deshalb heuer einfach mit einem ausgeglichenen Budget und kann so in Frieden leben mit der eigenen Finanzdirektorin: Einige moderaten Anträge sind die Folge, die wir als SVP, da sie in die richtige Richtung gehen, auch unterstützen. Im Gegensatz dazu werden wir von der FDP im Regen stehen gelassen.
Der linken Ratsseite ist das Defizit egal – es sei lediglich eine Folge zu tiefer Steuern. Deshalb stellt sich Links dem Ausgabenwachstum nicht entgegen, fordert hingegen höhere Investitionen. Letzteres – man muss es leider sagen – nicht einmal ganz zu Unrecht: Ein weiteres Tricklein der Regierung war nämlich, dass die geplanten Investitionen der einzelnen Direktionen nur noch zu 60 Prozent budgetiert werden. Die düsteren Finanzprognosen wurden also noch geschönt!

In welche Richtung bewegt sich die FDP?

Spannend wird es nächste Woche: Einem FDP-Budget wird weder die Linke noch die SVP zustimmen können. Die FDP will aber unbedingt ein Budget (= Friede mit der Finanzdirektorin). So wird sie sich entscheiden müssen: Bewegt sie sich in unsere Richtung?
Das Mittel dazu heisst „pauschale Budgetkürzung über alle Leistungsgruppen“, die Frage ist die Höhe. Mit Kompromiss-Anträgen zur dieser Höhe irgendwo zwischen FDP und SVP hausiert ausgerechnet ein BDP-Politiker. Selber stellt diese Partei zwar kaum einen vernünftigen Budgetantrag, will sich dann aber trotzdem brüsten. Die Arbeit – nämlich das hartnäckige Einbringen und Unterstützen von Verbesserunsanträgen – macht die SVP.
Dies bereits in der Fiko (Martin Arnold, Hansueli Züllig, Jürg Sulser, Matthias Hauser): Der Regierungsentwurf wurde um beinahe 100 Millionen Franken auf (immer noch) minus 89.87 Millionen verbessert. Dies war möglich dank konkreten Anträgen, die zuvor in den Sachkommissionen behandelt wurden, dort zum Teil keine Mehrheit fanden, in der Fiko dann aber schon.

Folgende SVP-Politiker haben Budgetanträg gestellt und vertreten, die bisher in der Debatte behandelt wurden: Hans-Peter Amrein (fleissig, hat auch für andere Kantonsräte Anträge vorbereitet), Claudio Schmid (positiv überrascht, dass die Regierung die Saldo-Senkung in der Jugendstrafrechtspflege unterstützt, musste deshalb sein Votum spontan umschreiben), René Isler, Willy Haderer (kämpft nach dem Motto „steter Tropfen höhlt den Stein“ seit Jahren für eine kostenbewusste Gesundheitdirektion), Lorenz Habicher, Jacqueline Hofer, Rolf Stucker. Andere Kantonsräte unterstützten und viele folgen noch kommende Woche. Ebenso wichtig ist die Abwehr linker Anträge, wie sie Hans-Heinrich Raths und Arnold Suter geführt haben. Die Liste ist nicht vollständig – je länger die Debatte in den Abend reicht – desto spontaner und kreativer wird sie.

Regierungspräsident Heiniger schätzt Souverän gering

Der Leserschaft nicht vorenthalten möchte ich ein direkter Einblick in die Seele von FDP-Gesundheitsdirektor, Regierungsrat Thomas Heiniger im Bereich „ Achtung und Ernsthaftigkeit im Umgang mit dem Souverän“. Sein Votum: «Bei einem Konto, das einen Aufwand von 1.39 Milliarden aufweist, stellen Sie einen Antrag von 130’000. Da spreche ich nicht mit Ihnen.» Zu einem anderen Antrag meinte er nur: «Für eine Stellungnahme ist mir die Luft zu schade».

In weiser Voraussicht hat Kantonsratspräsident Walliser die Zwischenverpflegung am Dienstagabend nur kalt bestellt und Wein gibt’s bei dieser Gelegenheit schon seit zwei Jahren keinen mehr. Vom Vorschlag der Fiko ist der Kantonsrat nach den ersten vier Budgetsitzungen übrigens bislang um 1.9 Millionen abgewichen, in die falsche Richtung. Fortsetzung folgt.