Heimlichkeiten mit Asylzahlen oder warum problemlose Zahlen nicht problemlos veröffentlicht werden

Im Umfang von 0.7% der Wohnbevölkerung sollten Gemeinden im Kanton Zürich Asylsuchende aufnehmen. Erfüllt Ihre Gemeinde diese Quote? Leben bei Ihnen zu viel oder zu wenig Asylsuchende? Darüber erhalten Sie keine Auskunft!

Aufgetaucht ist diese Heimlichtuerei eher zufällig: Eine Gemeinde überschritt dank Geburten die Aufnahmequote und bemühte sich (vergeblich), für Asylanten eine Wohnung zu mieten. Durch Kontakt zwischen Gemeindeverwaltungen kam dann zufällig eine grössere Gemeinde zum Vorschein, die unterbelegte Asylzentren betreibt, weil sie zu wenig Asylsuchende zur Erfüllung der Quote hat: Für diese Gemeinde sind das Liegenschaftskosten ohne Bundesbeiträge, die es pro Asylsuchenden gibt. Das Zügeln war kein Problem und im Interesse beider Gemeinden. So weit, so gut, Problem gelöst. Störend einzig, dass diese Lösung zufällig zustande kam.

Eine Übersicht, welche Gemeinde wie unter- oder überbelegt ist, gibt es zwar, denn das kantonale Sozialamt weist Asylsuchenden zu und ist daher jederzeit auf dem Laufenden – doch die Zahlen sind nicht öffentlich.

Die Anfrage, die ich deshalb einreichte, brachte Verstörendes ans Licht: Der Kanton, so war zu lesen, habe mit dem Gemeindepräsidentenverband (GPV) vereinbart, dass nur dieser die Zahlen sehe. Wie bitte? Der Kanton verhandelt mit einem Verband, der nicht von der Bevölkerung mandatiert ist, über die Veröffentlichung von Zahlen, die für die Kontrolle der Arbeit unserer Exekutiven wichtig sind? Die helfen Lösungen zu finden, wie geschildert? Natürlich wurden die Zahlen nicht mitgeliefert in der Antwort. Die SVP-, EDU- und BDP-Fraktionen verlangen deshalb mit einem Postulat reinen Tisch.

Weiter kam an den Tag: Auch im GPV selbst werden die Zahlen nicht weitergegeben: Lediglich die zwei Vizepräsidenten begutachten die Liste einmal pro Jahr, der linkssoziale Bülacher EVP Stadtpräsident Mark Eberle und FDP-Kantonsrat Martin Farner (Präsident Asylorganisation Bezirk Andelfingen, Gemeindepräsident von Oberstammheim). Wie Eberle persönlich erklärte, habe der GPV einst volle Transparenz verlangt, die heutige Situation sei ein Kompromiss. Wenn dem so wäre, müsste der GPV ja froh sein über den Druck aus dem Rat und die beiden Parteien sollten das Postulat unterstützen. Mitnichten: SVP, EDU und BDP blieben allein: 60 Stimmen waren nötig, nur knapp, mit 63, wurde es für dringlich erklärt.

Warum nur?

Nun, da wäre die offizielle Argumentation: Die Zahlen seien immer nur eine Momentaufnahme und daher nicht geeignet zur Beurteilung einer Situation. Das stimmt (übrigens für die meisten Zahlen) und deshalb verlangte meine Anfrage ja die Zahlen «2016, 2017 und aktuell». Zudem, wenn es darum geht, dass sich Gemeinden im gegenseitigen Interesse finden, reicht die Momentaufnahme.

Dann die EVP-GLP-Argumentation: Diese Zahlen bringen die Gemeinden gegeneinander auf. Stellen sich die Herren Kantonsräte einen Krieg zwischen Gemeinden vor? Das Einzige, was passieren wird, ist, dass man miteinander Gespräche führen muss: Einwohner, welche die Anzahl Asylsuchenden der eigenen Gemeinde hinterfragen und Behörden, die begründen müssen. Behörden, die andere Behörden um Unterstützung fragen. Was ist an solchen Gesprächen schlecht?

Dann die linke Argumentation: «Bei der Asylpolitik gehe es um Schicksale, nicht um Zahlen».

Und die CVP-Argumentation: «Die SVP macht nur Wahlkampf, die Zahlen sind schon seit Jahren nicht bekannt, und niemanden hat es bislang gestört».

Und die FDP: «Dass der GPV die Zahlen kennt, sei genügend und die Zahlen sind problemlos.» Vorgetragen von Martin Farner, der immerhin seine Interessensbindung mit bekannt gab.

In Wirklichkeit geht es wohl um zwei andere Dinge:

Der Kanton weiss, dass viele Gemeinden unterbelegt sind. Würde dies bekannt, müsste und könnte der Kanton die Betreuungsquote der Gemeinden, die einst von 0.5 auf 0.7 erhöht wurde, wieder senken. Erst recht mit dem neuen Asylverfahren ab Januar 2019, welches mehr Asylsuchende in Bundesasylzentren belässt. Eine hohe Quote für die Gemeinden erleichtert die Arbeit der kantonalen Verwaltung, dass Gemeinden dafür Liegenschaften halten müssen, ist ihr egal.

Und die Gemeindepräsidenten Farner und Eberle sind wohl ganz einfach froh, kommen ihre eigenen Zahlen nicht im Vergleich zu anderen zutage. So muss man sich keiner Kritik stellen, die könnte ja unangenehm ausfallen, insbesondere wenn man, wie Bülach, gerade ein neues Asylzentrum baut. Ganz nach dem Motto: «Le roi ist unfehlbar und le roi c’est moi.»