Bürgernaher Sicherheitsverbund

Polizei, Grenzwachkorps und Militärische Sicherheit sollen besser zusammenarbeiten.

Was ich zu einem Artikel im Police, der Zeitung des Verbandes der Schweizerischen Polizeibeamte, meine, fragte mich kurz vor Weihnachten ein Polizist.

“Bürgernahe Polizei 2020“ lautet der Titel. Nationalrat Pius Segmüller, ehemaliger Kommandant der Stadtpolizei Luzern und der Schweizergarde, fordert engen Kontakt von Polizei und Bevölkerung. Lokale Vertrautheit erhöht das Sicherheitsgefühl und verhindert Straftaten. „Der Polizist arbeitet erst dann sinnerfüllt, wenn er die Leute, die er schützt, auch kennt“, so Segmüller. Markus Nobs, Autor des Artikels und Redaktor von Police, ist damit im Grundsatz einverstanden, bemerkt aber das Fehlen des Personals. Gerade weil mit der Aufhebung von Gemeindepolizeien Aufgaben an die Kantonspolizei delegiert werden, welche private Sicherheitsdienste nicht erfüllen können (immer dann, wenn es wirklich ernst wird), fehle die Zeit zum häufigen Bevölkerungskontakt.

Meine Meinung dazu:

  1. Die Ausübung von Zwangsmassnahmen mit Waffengewalt kann der Staat nicht delegieren. Nur wer Waffengewalt ausüben kann, erzwingt Recht und Sicherheit bis ins Letzte (z.B. im Kontakt mit Ausgeflippten oder Kriminellen). Darunter gibt’s nur halbe Sicherheit.
  2. Bürgernahe Polizei wirkt besonders präventiv, wenn durchsetzungsfähige Polizisten bürgernah sind. Der Polizist, den man kennt, soll auch beim Familiendrama aufkreuzen. Der, welcher mit Halbwüchsigen im Dorfzentrum über Ordnung und das Leben spricht, soll auch derjenige sein, der nach dem Ladendiebstahl die jungen Täter einvernimmt. Entweder brauchen also Gemeindepolizeien genügend Raum für sicherheits- und kriminalpolizeiliche Aufgaben, oder die Kantonspolizei einen gut besetzten Posten. Wie zum Beispiel in Rafz. Was nichts bringt: Gemeindepolizeien ohne Kompetenzen oder wenn sich Kapo und Gemeindepolizei um Aufgaben konkurrieren. Da genau dies trotz – oder dank – Polizeiorganisationsgesetz immer wieder vorkommt (Gemeinden verhandeln Kompetenzen mit Kanton), scheint mir eine gut bestückte Kapo die beste Variante. Sogar für die Städte! Eine Integration der Gemeinde- und Stadtpolizeien in die Kapo soll nicht mit dem Ziel des Personalsparens erfolgen, sondern hat den Zweck, Kompetenzgerangel zu vermeiden und die Zusammenarbeit von Spezialisten zu vereinfachen.
  3. Nur wenn Sicherheit durch genügend Kapazitäten bewaffneter Formationen gewährleistet ist, soll man über neue, einsatzintensive Einrichtungen wie Asyldurchgangszentren überhaupt erst nachdenken. Im Moment fehlen Kapazitäten.
  4. Im Zürcher Unterland operieren drei bis vier staatliche bewaffnete Sicherheitsformationen (je nach Gemeinde ein bis zwei Polizeikorps, Grenzwache, Militärische Sicherheit). Alle haben bestens ausgebildete Beamte für Verkehrs- und Personenkontrollen, Zwangsmassnahmen, Einvernahmen und zum Protokollieren. Sie arbeiten kaum zusammen: Zwischen Grenzwache und Kantonspolizei klappt’s in Nachbarkantonen besser. Die Militärische Sicherheit ist für zivile Beamten eine Blackbox. Als Steuerzahler ist mir dies unverständlich. Es braucht einen vernünftigen Sicherheitsverbund zwischen diesen Organisationen. Sie sollen mit unterschiedlichen Schwerpunkten innerhalb ihrer sich überlappenden Einsatzregionen einander unterstützen. Unter anderem auch vereinbaren, welche Beamten wann und wo LMT (Liaison und Monitoring Team) sind, das heisst die Bürgernähe pflegen.

LMT ist ein Begriff der Armee, wie auch “Kampf der verbundenen Waffen“ – Zusammenarbeit trotz unterschiedlicher Schwerpunkten und Philosophien. Für zeitlich beschränkte Übungen scheint mit grünen Milizverbänden zu klappen, was blaue Berufsformationen im Alltag nicht schaffen.

2 comments to “Bürgernaher Sicherheitsverbund”
  1. Einige Anmerkungen sind sicher erlaubt.

    Es wurde unter anderem eine Grenzregion betrachtet und dazu möchte ich gerne etwas erwähnen.
    Die Grenzwache ist in erster Linie für Zollaufgaben zuständig (aus diesem Grund verfügt sie auch über einige Rechte, welche ein kant. Polizeikorps nicht hat) und nicht als Hilfstruppe für unterdotierte Polizeikorps.
    Die Kantone sollten vielleicht zuerst einmal die Hausaufgaben erledigen, sprich, die Polizeikorps werden mit den entsprechen Personalbeständen ausgerüstet und entsprechend auch durch den Gesetzgeber geschützt.

    Wer einen Polizisten beleidigt oder angreift, muss in jedem Fall bestraft werden, es handelt sich um kein Kavaliersdelikt, wie dies zum Teil von der Justiz heute behandelt wird.

    Sicher wäre es sinnvoll, wenn Aktion gemeinsam besprochen würden, aber jeder hat Angst, dass er etwas abgeben bzw. etwas verlieren würde.

    Wieso braucht es überhaupt 26 verschiedene Polizeigesetze in der Schweiz?

    Wieso ist die Grenzwache überhaupt ein eidgenössisches Organ, früher waren einmal die Kantone für die verschiedenen Zollaufgaben zuständig, leider wurden die Aufgaben nicht zur Zufriedenheit des Bundes erfüllt und aus diesem Grund, gibt es das Grenzwachtkorps (als bewaffneter Teil der Eidg. Zollverwaltung).

    Was ich jedoch auf keinen Fall möchte, dass ich, als zivile Person, durch die militärische Sicherheit kontrolliert werde. Diese Stelle ist in erster Linie für die militärischen Belange zuständig und erst in zweiter Linie als Unterstütung für die zivilen Stellen. Auch hier gilt, die militärische Sicherheit ist nicht als Hilfstruppe für die unterdotierten Polizeikorps zulässig.

    Jürg Grüter

    • Föderalismus ist in Sicherheitsfragen m.A.nach gut, insbesondere wenn es um die Organisation, Aufgaben, Zuständigkeit (wer Einsätze befehlen darf) für die verschiedenen Korps geht: Bürgernähe und Föderalismus haben gewisse Parallelen. Sicherheit als Dienst vom Bürger für den Bürger. Deshalb verstehe ich die Skepsis der Kantone gegenüber einer Bundespolizei oder der Übernahme polizeilicher Aufgaben durch Grenzwache oder gar MilSich.

      Für den Bürger, der gerade beklaut wird, der Gewalt erlebt, der sich Sicherheit vor besoffenen Autofahrer erhofft: Für diesen spielt es kaum eine Rolle, welches Korps einen Einsatz fährt. Wichtig ist: Rechtzeitig am rechten Ort mit genügend Mann. In Hüntwangen, wo ich wohne, sieht man wenig Polizei und viel Grenzwache. Angenommen ich beobachte beim Nachbar einen Einbruch und ich rufe der 117: Die Polizei kann in 30 Minten vor Ort sein, einen halben Kilometer vom Einbruchsort kontrolliert die Grenzwache den Verkehr. Weshalb kann ich als Steuerzahler auch des Bundes nun nicht die Sicherheit der bewaffneten Grenzwächter beanspruchen? Aushilfsweise für eine polizeiliche Aufgabe? Umgehehrt: Verkehrskontrolle der Grenzwache. Ein Fahrer mit Alkoholverdacht: Weshalb muss dazu noch eine Polizeistreife hergerufen werden? Weshalb kann alles Tatrelevante nicht die Grenzwache abschliessen, bis zum Protokoll? Aushilfsweise?
      Weshalb zahlen wir der MilSich eine Berner Polizeiausbildung, und dann dürfen sie nicht helfen, wenn’s brennt? Aushilfsweise?

      Das sind Situationen, die mir nicht wirklich einleuchten. Die Korps müssen näher zusammenarbeiten – ohne einander die schwerpunktmässige Kompetenz zu klauen. Wer manchmal über den Zaun frisst, besitzt noch nicht des anderen Weide. Natürlich braucht das zuerst die gesetzlichen Grundlagen (ein paar Löcher im Zaun). Mögen diese erarbeitet werden.

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