Bürokratisches Unding: Der neue Berufsauftrag

Am 24. August 2015 wurde der Berufsauftrag für Lehrpersonen im Kantonsrat definitiv beschlossen. Nicht zu meiner Freude. Wie funktioniert er – und falls Sie Lehrerin oder Lehrer sind – Was kommt nun auf Sie zu?

Das Lehrpersonalgesetz teilt unseren Berufsalltag in fünf Aufgabenbereiche. Für drei davon müssen Sie künftig täglich Arbeitszeit erfassen. Die Lehrpersonalverordnung legt fest, wie viel Stunden pro Jahr Sie maximal welchem Bereich anrechnen dürfen.

Zeit erfassen müssen Sie als Mitglied der Schulkonferenz und zur Mitgestaltung der Schule, für Aufgaben im Schulwesen und die Qualitätssicherung (= ein Bereich, total max. 60 h anrechenbar), für die Zusammenarbeit mit Behörden, der Schulleitung anderen Lehrpersonen, Elterngespräche, Standortgespräche, Schulleitung, Behörden und weiteren Personen (= zweiter Bereich, max. 50 h) und für die Weiterbildung in der unterrichtsfreien Zeit (= dritter Bereich, max. 30 h). Ohne Zeiterfassung anrechnen dürfen Sie 100 Stunden für die Aufgabe als Klassenlehrperson (weiterer Bereich) und pro Wochenlektion 58 Stunden pro Jahr (= grösster Bereich).

In der zweiten Woche nach diesen Sommerferien fuhr ich mit meiner 2. Sek A ins Klassenlager. 5 Tage mal 18 Stunden volle Präsenzzeit. Dazu die Vor– und Nachbereitung, auch Dinge wie «drei Stunden Klassenlagerfotos für die Schulhomepage bearbeiten». Meine 100 Stunden Klassenlehrer sind im Jahr, in welchem die Berufswahl so richtig losgeht und Stellwerkgespräche anstehen, anfangs der dritten Schulwoche aufgebraucht. Was passiert nun gemäss neuem Berufsauftrag? Antwort: Nichts.

Denn zwar ist das Maximum der an die Jahresarbeitszeit anrechenbaren Stunden für die Aufgabe als Klassenlehrer vorgeschrieben – nicht aber eine maximale Jahresarbeitszeit an sich – weder in Verordnung noch Gesetz! Wenn also in einem Bereich mehr Arbeit als anrechenbar anfällt, passiert nichts. Die Arbeit ist nach wie vor gewissenhaft zu erfüllen, die Stunden sind täglich zu erfassen, sie zählen einfach nicht mehr. Es gibt weder Lohn- noch Zeitkompensation.

Zeigt hingegen Ihre Zeiterfassung, dass Sie in einem Bereich zu wenig Jahresstunden erreichen, oder erteilen Sie die gleiche Lektion an zwei Klassen (z.B. Parallelklassen), oder unterrichten Sie «nur» Fächer wie Sport oder Zeichnen und benötigen deshalb laut Theorie nicht ganz gleich viel Vorbereitung, so darf Sie die Schulleitung zum Beispiel mit einem neu gänzlich entschädigungsfreien Hausamt betrauen.

Letzteres darf Sie sowieso. Zählt man nämlich die anrechenbaren Stunden der aufgezählten Bereiche zusammen, ergibt sich nicht ganz die verwaltungsübliche Jahresarbeitszeit. Da fehlen noch 68 Stunden: «Flex-Teil» zur Erledigung von allgemeinen Aufträgen der Schulleitungen.

Bereits 2008 in der Vernehmlassung schrieb ich, statt einem solchen System würde ein Berufsbild reichen. Als Kantonsrat bekämpft ich den Berufsauftrag, einmal sogar, indem ich Gleiches für die Schulleiter forderte, mit dem Ziel, dass diese nicht einfach den Flexteil zur Delegation von Aufgaben zu ihrer Entlastung nützen können (z.B. Stundenplan). Der Schulleiterverband war wenig überraschend «voll dagegen». Er durfte sich sein Berufsbild dann selber schreiben. Bei uns, im Gegensatz dazu, haben alle mitgeschwatzt, BiD, Schulleiter, Schulpräsidenten, Eltern und die ganze Politik. Niemand von diesen ist im Klassenlager mit dabei.

Der «Berufsauftrag» ist schlecht herausgekommen. Unsere Verbände haben einen Auftrag grundsätzlich begrüsst und mit Vorschlägen zu verbessern gehofft. Diese Strategie funktioniert in der Politik nicht. Die Realität ist immer differenziert, doch zum besseren Verhandlungsergebnis braucht es manchmal ein kompromissloses Nein am Anfang. Dies ein Hinweis für das nächste Geschäft.