Bereits 300’000 Menschen sind laut UNO-Meldung vom 28. August dieses Jahr über das Mittelmeer nach Europa geflohen. 2’500 davon ertranken. Im Juli meldet Frontex (EU-Agentur für die Bewachung der Aussengrenze) für 2015 100’000 illegale Grenzübertritte in Ungarn. 432’630 Asylgesuche wurden insgesamt von Januar bis Juni in den EU-Staaten und der Schweiz gestellt.
Weit mehr als 2014 und die Bilder zu diesen Zahlen gehen ans Herz. Aus den Gesichtern der Menschen sprechen die Entbehrungen, die sie erlebt haben, um einen Platz in Europa zu ergattern.
Migration – zum Beispiel auch in wachsende Slums von Grossstädten Asiens und Südamerikas – wird nach einem einfachen aber offiziellen Denkmodell, das jeder Sekschüler im Geografieunterricht kennenlernt, von Push- und Pull-Faktoren bestimmt. Push-Faktoren „stossen“ jemanden von seinem Ort “weg“, beispielsweise Krieg, Armut und Hunger, Arbeitslosigkeit, Perspektivenlosigkeit, Kriminalität, Unterdrückung, ein erlebtes Kriegstrauma. Pull-Faktoren hingen machen einen Zielort attraktiv: Wohlstand und Arbeitsplätze, Sicherheit, Demokratie, Gesundheitsversorgung, Hoffnung auf eine Zukunft. Je stärker solche Faktoren, desto mehr Menschen migrieren, auch wenn der Weg riskant und beschwerlich ist.
In den riesigen Flüchtlingslagern in Jordanien und der Türkei sind die Menschen vor direkter Kriegsgewalt und vor Gräueltaten sicher. Beim Weiterzug nach Europa handelt es sich somit um eine Migrationsbewegung, nicht um Flucht vor Gewalt. Dies gilt erst Recht für junge Männer aus Afrika, welche via Italien und Spanien nach Europa drängen.
Die Migration ist derart mächtig, dass damit Länder entlang der EU-Aussengrenze überfordert sind, ja Europa insgesamt ist überfordert. Das Dublin-Abkommen verliert an Gültigkeit. Ende August gab Ungarn bekannt, die Flüchtenden nicht mehr betreuuen zu können. In Melilla, Spanien, steht ein Zaun, wie ihn Ungarn will, schon lange (wie zwischen Mexico und den USA). Und die Bilder von Migranten, die trotz Abschrankungen via Eurotunnel von Frankreich nach Grossbritannien gelangen wollten, sind noch frisch. Ein Zaun alleine wird den Weg erschweren, doch die Migration nicht stoppen.
Man muss die Push- und Pull-Faktoren verringern. Bei den Pull-Faktoren bedeutet dies, die Attraktivität von Europa als Zielland senken. Zum Beispiel die Menschen wieder zurück schicken, in die sicheren Flüchtlingslager neben den Kriegsgebieten, so dass sich die Strapazen der Flucht nicht lohnen. Schlepperbanden zerschlagen, damit die Flucht schwieriger wird. Und ja, auch Zäune anstelle der Willkommenskultur haben Wirkung. Es darf kein Geld nach Hause geschickt werden. Und dass Europa weder Paradies ist noch Perspektiven bietet muss bereits vor der Flucht jedem potentiellen Migranten gezeigt werden.
Doch obwohl die Armen, welche aus Hunger in eine südamerikanische Stadt getrieben werden, im Slum enden, wachsen die Städte. Die Senkung der Attraktivität reicht nicht: Es braucht auch die Reduktion der Push-Faktoren: Politische Stabilisierung, wirtschaftlicher Aufschwung, dort, wo die Flüchtlinge herkommen. Das ist schwierig: Ökonomie und Agronomie sind gefordert, einige Länder könnten mit Waffengewalt stabilisierend wirken (wie z.B. Frankreich in Mali zur Bekämpfung der islamistischen Terroristen). Sache der Schweiz wäre es, dank Neutralität Voraussetzungen für Verhandlungslösungen und Heimatflagge für humanitäre Hilfe zu bieten. Notversorgung in den Flüchtlingslagern gibt es, sie auszubauen ist günstiger und einfacher, als die Migranten in der Europa zu verteilen und ins Sozialsystem aufzunehmen.
Fazit: Die EU ist überfordert – ihre eigenen Vereinbarungen (Dublin) werden in Krisenzeiten innert Stunden zur Makulatur. Während dem einzelne Staaten die Willkommenskultur verkünden, errichten andere Grenzzäune, wofür sie kritisiert werden, obwohl wieder andere dies schon lange haben. Im Chaos diktiert schlussendlich die EU-Kommission die Verteilung der Migranten in Europa über den Willen der Länder hinweg. Sinnvoller wäre eine Koordination zur Verringerung von Push- und Pull-Faktoren. Dazu gehört die Rückwanderung in das Heimatland oder in ein Flüchtlingslager. Den Migranten, die bei uns ankommen, müssen wir keinen Vorwurf machen: Ihr Handeln ist aus ihrer Sicht verständlich. Eine Willkommenskultur allerdings treibt noch mehr Menschen ins Mittelmeer.