Religion und Kultur / Kantonsfinanzen:
Wir erinnern uns: In der kantonsrätlichen Budgetdebatte 2003 und in derjenigen zum Sanierungsprogramm 2004 vereinbarten die Fraktionen der CVP, FDP und SVP alle Massnahmen zur Sanierung der Staatsfinanzen zu unterstützen.
Dass dies dringend notwendig ist, zeigen die Zahlen: Ohne den ausserordentlichen Erlös durch den Verkauf des Nationalbank-Goldes gehört bereits 2006 mehr als das gesamte Vermögen des Kantons fremden Geldgebern. Der kantonale Aufwand wächst schneller als die Wirtschaft. Es ist dringend notwendig, dringender als alle anderen politischen Anliegen, das Ausgabewachstum des Staates dem Wirtschaftswachstum anzugleichen. Andernfalls zwingen wir unseren Kindern grosse Einschränkungen auf. Oder der Kanton verlottert.
„Verlässliche“ Partner
Was nun am vergangenen Montag im Rat geschah, ist, angesichts dieser Finanzen verwunderlich: Die CVP und die FDP überwiesen zusammen mit der Ratslinken ein Postulat, welches eine vereinbarte Sanierungsmassnahme teilrückgängig macht. Die FDP, die sich finanzpolitische Kompetenz auf die Fahnen schreibt, fungiert sogar als Erstunterzeichnerin.
Mit der betreffenden Sanierungsmassnahme (jährlich 3.2 Mio. Franken) wurde der biblische Unterricht auf der Primarstufe gestrichen. Auch die SVP will eine Bildung der Kinder in den Grundlagen unserer Kultur und Ethik – deshalb ist diese Sanierungsmassnahme für uns ein unangenehmer Verzicht. Angesichts der Finanzlage scheint er aber notwendig – zudem wird religiöse Bildung in der Oberstufe angeboten. Wenn man gemeinsam mit bürgerlichen Partnern beschliesst, unpopuläre Verzichtsmassnahmen zu unterstützen, wäre es schön, diese Partner wären verlässlich.
Die bürgerlichen Kantonsrätinnen Andrea Widmer-Graf (FDP) und Yvonne Eugster (CVP) forderten am vergangenen Montag mittels dringlichem Postulat die Schaffung eines Faches «Religion und Kultur» auf der Primarstufe. Dieses Ansinnen macht die Hälfte der Sanierungsmassnahme «Abschaffung des biblischen Unterrichtes» zunichte (jährlich 1.6 Mio. Franken). Während der Finanzdebatte im Jahr 2004 hätte dieser Vorstoss auch in der FDP und CVP kaum eine Chance gehabt. Heute, zwei Jahre später und ein Jahr vor den Wahlen, erinnert sich niemand mehr dran, „Zückerli“ verteilen statt verzichten: Die FDP und CVP Fraktionen des Kantonsrats haben offenbar Wichtigeres in ihrer Agenda als die Gesundung der Staatsfinanzen.
Titelschwindel als Beruhigungspille
Mit der hängigen Volksinitiative für die Wiedereinführung von biblischer Geschichte in der Primarschule hat «Religion und Kultur» wenig zu tun: «Biblische Geschichte» ist ein Fach mit Abmeldemöglichkeit, welches Christentum vermittelt. Die mit rund 50’000 Unterschriften fünffach überzeichnet eingereichte Initiative will diesbezüglich einfach den Zustand vor der Sanierungsmassnahme wieder herstellen – sie muss daher aus finanziellen Gründen bekämpft werden. Im nun von der FDP und CVP stattdessen geforderten Fach «Religion und Kultur» hingegen sind alle Religionen gleich gewichtet. Es wäre kaum verständlich, wenn sich die Initianten einer derart wuchtig eingereichten Volksinitiative damit abspeisen lassen – Erst recht nicht, die Bildungsdirektion faule Tricks (- eine Titelschwindel – ) anwendet: Während einem rasch zu realisierenden Einführungsjahr soll nun das Fach «Religion und Kultur» zur Beruhigung der Initianten «Biblische Geschichte» genannt werden. Einen Antrag, entsprechend Mittel in das Budget 06 einzustellen, fand in der Kommission für Bildung und Kultur offene Ohren der Direktion, bereits einen Tag nachdem das FDP-CVP-SP-Postulat überwiesen wurde.
Übrigens spricht sich die SVP Kantonsratsfraktion für einen christlichen Religionsunterricht auf der Oberstufe aus. Wenn schon, wäre uns also «Biblische Geschichte» näher als „Religion und Kultur“. Finanzpolitisch gesehen kommt aber auf der Primarstufe weder noch in Frage.