Abschaffung des Kindergartens und Umgehung von Volksentscheiden

Bei der ersten Abstimmung zum Volksschulgesetz 2005, und später, mit dem Scheitern der Prima-Initiative 2012 mit über 71 Prozent Nein-Stimmenanteil, lehnte die Stimmbevölkerung die Grundstufe ab. Die Verschmelzung von Kindergarten und Primarschule im Kanton Zürich war unerwünscht. Kindergarten und Primarschule sollen unterschiedliche Stufen bleiben. Der Kindergarten bietet Kindern im Alltag, viele zum ersten Mal weg von zu Hause, Geborgenheit, baut Selbstvertrauen in der Gruppe und Selbstständigkeit auf. Kein Drängen durch den Schulstoff im Alter von fünf und sechs Jahren.

Heute, zehn Jahre nach der Prima-Initiative, sind die Kindergartenkinder im Schnitt vier Monate jünger und hinter den Kulissen ist einiges passiert, um den Kindergarten trotzdem abzuschaffen.

Beginnen wir vorher: Die Kantonalisierung des Kindergartens 2008 nachdem das Volksschulgesetz ohne Grundstufe im zweiten Lauf angenommen wurde, ist eine Grundlage. Geworben wurde mit der finanziellen Entlastung der Schulgemeinden, der Verantwortung des Kantons und der Vergleichbarkeit der Gemeinden. Die Nebenwirkung war ein verbindlicher Kindergartenlehrplan. Ab Schuljahr 2019/20 heisst dieser Lehrplan 21, und da gibt es den Kindergarten gar nicht mehr, sondern nur den «ersten Zyklus», die vier Jahre bis und mit der zweiten Klasse.

Nach dem Schiffbruch der Grundstufe 2011 wurde an der PHZH der Versuchs-KUST-Lehrgang definitiv eingeführt. KUST sind Kindergarten- und Unterstufenlehrpersonen gleichzeitig. Logisch, dass für dieses Studium die gleichen Zulassungsbedingungen gelten, wie für Primarlehrpersonen, mindestens eine Fachmaturität für das Berufsfeld Pädagogik, viele kommen mit dem Gymi. Einziger Unterschied zum Studium für ausschliesslich die Kindergartenstufe: Dort galt jede andere Fachmaturität und die Handelsmittelschule auch als genügende Vorbedingung. Da weder Handelsmittelschüler noch Fachmaturandinnen zahlreich vorkommen, war es schlicht kein Wunder, dass dem Nur-Kindergartenlehrgang bald die Nachfrage fehlte. Die meisten Interessenten konnten ja gerade so gut gleichzeitig noch Primarlehrperson werden.

Die PHZH füllte den Lehrgang daher mit Studierende aus anderen Kantonen, die auch keine Kindergartenlehrpersonen mehr ausbildeten. Wie erwähnt: Im Lehrplan 21 gab es die Kindergartenstufe gar nicht mehr, so wurde der Zürcher Lehrgang zum schweizerischen Exotikum. Schliesslich entzog ihm der Hochschulrat die Anerkennung. Der Hochschulrat besteht aus den Erziehungsdirektorinnen und -direktoren der vierzehn Hochschulkantone.

Das nächste Kapitel folgt im Kantonsrat. Am Montag, 14. November 2022, beantragte die Bildungsdirektion und eine Mehrheit der Parteien, den Studiengang für Kindergartenlehrpersonen einzustellen.

Bilanz: Obwohl vor zehn Jahren die Grundstufe in der Volksabstimmung mit 71% scheiterte, gibt es inzwischen im Lehrplan den Kindergarten nicht mehr. Und es werden keine Lehrpersonen mehr nur für den Kindergarten ausgebildet! Die Demokratie ist ausgetrickst.

Die FDP kämpfte in dieser Sache an der Seite der SVP. Es war die Linke, die im Rat unverhohlen für die Grundstufe Werbung machten. Und vor allem für mehr Lohn. Denn dazu muss man Kindergartenlehrpersonen den Primarlehrpersonen gleichsetzen. Die Abschaffung der Ausbildung ist lohn- und nicht vernunftsgetrieben.

Vernünftig wäre der Antrag der SVP gewesen: Wir wollten die Ausbildung zur Kindergartenlehrperson für Berufsmittelschülerinnen und Berufsmittelschüler Gesundheit und Soziales öffnen. Diese bringen hohe Sozialkompetenz mit. Die Berufslehren würden attraktiver, mehr Menschen kommen als Lehrpersonen in Frage, der Unterschied zur Primarstufe bliebe gewahrt. Lauter Vorteile. Doch SVP und FDP blieben alleine. Wir tüfteln nun gemeinsam aus, ob es da nicht nochmals einen Volksentscheid braucht.

Matthias Hauser, Kantonsrat Hüntwangen,
Mitglied KBIK, Kommission für Bildung und Kultur