Zwei Drittel der Gemeinden könnten auf Steuererhöhungen vorläufig verzichten

Wenn Sie Gespartes auf der Seite haben, dieses aber nicht brauchen dürfen, wenn sie es nötig hätten, ist es nutzlos. Besonders stossend wäre dies, wenn Sie stattdessen Sozialhilfe erhielten… So ähnlich ist die Situation im Kanton Zürich seit diesem Jahr für Gemeinden.

Sie sind neu per Gemeindegesetz gezwungen, ihre Steuereinnahmen so zu budgetieren, dass sich maximal innerhalb von zehn Jahren Verluste und Gewinne der Erfolgsrechnung die Waage halten (mittelfristiger Ausgleich). Und noch etwas wurde für alle zum Gesetz erhoben: Der budgetierte Aufwand der Erfolgsrechnung darf die Abschreibungen plus drei Prozente der Steuereinnahmen nicht überschreiten. Wer den Ausgleich nicht erreicht und den erlaubten Aufwand überschreitet, müsste in jedem Fall sparen oder die Steuern erhöhen.

Nun gibt es Gemeinden, die haben, aus welchen Gründen auch immer (besonders gutes Steuerjahr, Lottogewinner, Erträge aus Immobilienhandel, Konzessionen für Rohstoffabbau, u.a.) in der Bilanz alles, was sie zur Erfüllung ihrer Aufgabe benötigen, voll durch Eigenkapital gedeckt und überdies immer noch mehr Vermögen als Schulden. Für immerhin zwei Drittel der Gemeinden im Kanton Zürich trifft dies zu: Sie könnten alles Fremdkapital zurückzahlen, ihre Aufgaben immer noch vollumfänglich wahrnehmen und es bliebe immer noch ein Batzen übrig. Bei einigen sogar ein grosser Batzen, mehrere tausend Franken pro Einwohner. Das ist das Nettovermögen.

Nun ist es aber nicht so, dass diese «reichen» Gemeinden Jahr für Jahr Gewinne machen. Im Gegenteil: Viele davon haben Vermögen durch Ereignisse erhalten, die sich nicht wiederholen. In der Jahresrechnung machen sie Verlust. Bisher wurde dieser einfach dem Eigenkapital abgebucht. Und was passiert jetzt dank dem neuen Gemeindegesetz? Jawohl: Obwohl sie sich den Jahresverlust leisten könnten, müssen sie die Steuern erhöhen. Obwohl die Gemeinde schon über mehr Mittel als nötig verfügt, muss sie den Steuerzahlern noch weiter in die Tasche greifen. Und nicht nur das: Sie erhält, wenn sie den Steuerfuss erhöht, auch mehr Finanzausgleich von den anderen Gemeinden und das dadurch entstehende höhere Mittel der kantonalen Steuerfüsse schöpft die Gemeinden, die heute in den Finanzausgleich einzahlen, höher ab. Denen die haben, wird gegeben.

Das kantonale Gemeindeamt meinte dazu unter anderem, man könne den mittelfristigen Ausgleich immer erreichen, indem ein Jahr in Defizit-Vergangenheit mit neun guten Jahren in der Finanzplanung ausgeglichen würden (Verpflichtung zum optimistisches Orakel). Welche Farce…

Es gibt eine bessere Lösung: Gemeinden, die Nettovermögen haben, sollen dieses wenigstens freiwillig einsetzen dürfen, das heisst, sie sollen auf den mittelfristigen Ausgleich verzichten, Steuerzahler und andere Gemeinden schonen dürfen. Für Gemeinden, die im Gegensatz dazu, verschuldet sind, macht das natürlich keinen Sinn: Diese leben ja auf Kosten der nächsten Generation: Es ist richtig, dass hier das Gemeindegesetz einen Riegel schiebt.

Ein entsprechende Parlamentarische Initiative zur Korrektur des Gemeindegesetzes wurde zusammen mit der FDP und den Grünliberalen Ende Januar eingereicht, zur Gültigkeit musste man damit warten, bis das Gemeindegesetz überhaupt in Kraft war (seit Anfang 2018). Wird die PI überweisen und umgesetzt, gibt sie den Behörden in zur Zeit zwei Dritteln aller Gemeinden die Möglichkeit, vorläufig auf Steuererhöhungen zu verzichten.

Matthias Hauser, Kantonsrat
www.matthias-hauser.ch

Download Parlamentarische Initiative: «Abbau von Nettovermögen im neuen Gemeindegesetz»

 

Gemeinden mit Nettovermögen (blau) Rechnung 2016:

 

Gemeinden mit Aufwandüberschuss (rot)  Rechnung 2016:

Kommentar zu den beiden Karten:

Alle Gemeinden mit Aufwandüberschuss (untere Karte) müssten nach neuem Gemeindegesetz diesen in den nächsten Jahren als Ertrag wieder einholen: Sie müssen den Steuerfuss entsprechend festlegen (mittelfristiger Ausgleich). Unsere Parlamentarische Initiative will, dass diejenigen davon, die in der oberen Karte (Nettovermögen) blau sind, auf die Steuerfuss-Erhöung verzichten könnten.