Wendehals-Montag

Am Montag zeigte die Politik ornithologische Dimensionen. In der Berufsbildung wendete die CVP den Hals gegen sich selber (Wendehals) und schoss dabei den Vogel ab. Die Linke hält nun den Spatz in der Hand, statt dass dieser mit der Taube auf dem Dach zusammen davon geflogen wäre. Für einen Minderheitsantrag zum Rat des neuen Zentrums für Gehörlose wendete sich gar das halbe Parlament.

Am 18. Mai 2003, eidgenössische Volksabstimmung, wurde die Lehrstelleninitiative mit 69 Prozent Nein-Stimmen abgelehnt. Vor allem wegen dem Berufsbildungsfonds sprachen sich alle Bürgerlichen und die CVP dagegen aus. In einen solchen Fonds bezahlt, wer Arbeitsplätze anbietet, mit seinen Mitteln soll das Lehrstellenangebot gefördert werden: Eine Strafsteuer für Arbeitsplätze zur staatlichen Verzerrung des Lehrstellenmarktes.

Durchschnitt zum Programm erhoben

Aus dem Volkswirtschaftsdepartement des CVP-Bundesrats Joseph Deiss stammte das kompromissbereit als Gegenvorschlag versprochene neue Berufsbildungsgesetz. Es erlaubt den Branchenverbänden, eigene Fonds für Lehrstellen zu bilden und dafür Abgaben zu erheben. Da diesem die kantonale Rechtssprechung angepasst werden muss, versucht die Linke zwängelnd (aber konsequent) den staatlichen Lehrstellenfonds wenigstens kantonal zu verankern. Gehilfe dabei ist die CVP. 2003 war das eidgenössische Berufsbildungsgesetz die Mitte. Zwischen ihm und der verharrten Linksposition ist – logischerweise – eine neue Mitte, vom Ursprung her gesehen ungefähr „dreiviertellinks“. Diese hat sich die CVP zum Ziel genommen. Offenbar ist ihr Programm nicht Inhalt, sondern Durchschnitt, egal ob sich dieser in die Opposition zu sich selbst verschiebt. Und so schiesst ein Wendehals den Vogel ab: In der vorberatenden Kommission für Bildung und Kultur stellte CVP-Kantonsrat Lorenz Schmid den Antrag, den staatlichen Fonds so zu schaffen, dass im Gegensatz zum ganz linken Vorschlag nur zur Kasse gebeten werden soll, übrigens im Promillebereich der Lohnsumme, wer keine eigene Lehrlinge ausbildet oder nichts zu einem Branchenfonds beiträgt. Es trifft Newcomer und branchenlose Einmannbetriebe.

Bürokratischer Spatz in der Hand

Erstens ist bei tausenden kleinen Unternehmungen weniger zu holen als dies an administrativem Aufwand verursacht und zweitens sollten wir froh sein, dass Kleinstbetriebe überhaupt existieren. Je weniger Abgaben und Bürokratie sie drangsaliert, desto eher bieten sie irgendwann aus eigener Kraft Lehrstellen an. Der CVP-Fonds lohnt den Aufwand nicht, auch die Linke war ursprünglich dagegen: Sie liess den Spatz in der Hand fliegen. Da es den Bürgerlichen jedoch gelang, die Taube auf dem Dach auch zu verscheuchen, wurde die SP wendehalsig: Die CVP durfte den Rückkommensantrag stellen und obsiegte, die Arbeitsplatzssteuer ist Gesetz. Am nächsten Montag werden SVP und FDP das Behördereferendum ergreifen.

Behinderung als Quotenkriterium

Wendig ging es auch um das Zentrum für Gehör und Sprache zu und her, bei einem Detail: Ursprünglich waren nur die Grünen und wenige SP-Parlamentarier der Ansicht, im Zentrumsrat müsste gesetzlich verordnet unbedingt eine Gehör- oder schwer Sprachbehinderte Person Einsitz nehmen. Im Kantonsrat nun kehrten die Verhältnisse: Obwohl es genau darum ging, dass Hör- und sprachbehinderte Menschen gleichberechtigt an der Gesellschaft teilhaben, was dank Gebärdensprache und technischen Hilfen möglich ist, wurde die einstige Mehrheit zur Minderheit: Einzig die SVP äusserte sich dagegen, erstmals „Behinderung“ als Quoten-Kriterium in ein Gesetz zu schreiben. Ein Tabubruch, gerade so, als seien Behinderte andere Menschen.

Doch soweit denken Vögel nicht, sie wenden den Kopf nach Instinkten. Immer schön der Mitte nach.