Vom Tochtertag zum Jokertag

Feministisches Gejammer: Die Mädchen würden in der Berufswahl und der Berufswelt benachteiligt und in Rollen gedrängt. Noch immer gäbe es typische Frauen- und typische Männerberufe, seien mehr Kaderpositionen in der Wirtschaft von Männern besetzt, würden zu wenig Ingenieurinnen ausgebildet und noch immer lernten die Kinder zu wenig über „Rollenteilung“. So sprachen am vergangenen Montag im Kantonsrat nicht nur linke Kantonsrätinnen. Markantes Bekenntnis zum Beispiel von FDP-Kollegin Gabriela Winkler: „Ich bin eine Kampf-Feministin der ersten Stunde!“ Dies war weder eine neue Information, noch Ausdruck einer modernen Haltung: Seit zwei Jahrzehnten sind vor Gesetz und in Verordnungen, also dort, wo die Politik es regeln soll, die Geschlechter gleichgestellt. Dennoch, übrigens, unterhalten Bund, Kanton und Stadt jährlich mit mehreren Millionen Franken je eine sogenannte „Fachstellen für Gleichberechtigung“. Hätten in der FDP nicht die Kampffeministinnen sondern die Wirtschaftsvertreter die Hosen an, liesse sich diese Verschleuderung stoppen.

Seit neun Jahren wird der „Nationale Tochtertag“ propagiert. Heuer findet er am 12. November statt. Mädchen sollen dann ihre Väter am Arbeitsplatz besuchen, während die Buben einen Projekttag mit der Lehrerin verbringen und sich damit beschäftigen, dass der moderne Mann 50 Prozent im Haushalt und Teilzeit arbeitet. Buben- und männerdiskriminierend, Gehirnwäsche zur Verwischung der Geschlechter in der Berufswelt und leider beteiligen sich viele Schulen an dieser privaten (aber vom Bund unterstützten) Feminismuskampagne und opfern dem Anliegen Unterrichtszeit.

„Vom Tochtertag zum Kindertag“ forderte deshalb EVP-Ratskollege Thomas Ziegler. Auch die Knaben sollen dem Vater über die Schulter schauen dürfen, der Regierungsrat solle den Tochtertag zum Tag für alle Kinder machen. Eine sympathische Idee, aber der Schuss wäre nach hinten losgegangen. Denn wenn die Regierung das Anliegen umsetzen müsste, geht dies nur mittels einer Weisung, eventuell sogar über die Änderung einer Verordnung. Damit wäre aus der nationalen privaten Feminismuskampagne ein kantonaler offizieller Aktionstag geworden!

Dabei sind gar keine Vorschriften notwendig. In der Wirtschaft ist es mit oder ohne Tochter- oder Kindertag sowieso den Betrieben überlassen, ob Söhne und Töchter den Angestellten über die Schulter gucken dürfen. Etwas komplizierter präsentiert sich die Lage in den Schulen: Zu viele beteiligen sich an der Feminismuskampagne, einige genehmigen nur die Absenzen der Mädchen am Tochtertag. Da und dort wird sogar der Eindruck erweckt, es handle sich beim „Tochtertag“ um eine offizielle Angelegenheit. Aber das ist falsch. Denn Schulgemeinden, sogar Schuleinheiten und Klassenlehrpersonen regeln ihren Umgang  mit dem Tochtertag frei, je nachdem, was die übergeordnete Instanz empfiehlt. Niemand verbietet, auch Knaben vom Unterricht zu dispensieren oder Auflagen zu machen (z.B. gestatten einige Schulgemeinden die Teilnahme am Tochtertag nur einmal in drei Jahren).

Meine Meinung dazu: Es gibt im Volksschulgesetz und der Verordnung geregelte Möglichkeiten, die jedem Kind den Besuch am Arbeitsplatz der Eltern ermöglichen, mehr ist unnötig. Da wären erstens die leidigen Jokertage, die es noch nicht gab, als die Tochtertag-Kampagne startete. Sie erlauben jedem Kind pro Schuljahr an zwei Tagen ohne Begründung dem Unterricht fernzubleiben. Zweitens gibt es Dispensationsgründe. Einer davon, ausdrücklich erwähnt, lautet „Schnupperlehren und ähnliche Anlässe zur Berufsvorbereitung“. Das Absenzenwesen der Schulen müsste Verfassung und Gesetz entsprechen. Die Bundes- und die Kantonsverfassung enthalten einen Gleichstellungsartikel. Daraus folgt: Ausschliesslich den Mädchen zu erlauben, infolge einer privaten Kampagne vom Unterricht fern zu bleiben, und dies ohne Jokertag und ohne Dispensationsgrund, ist im Prinzip illegal. Damit ist alles gesagt: Den Tochtertag dürfte es gar nicht geben, und das ist gut so.