Nicht jeder Nachteilsausgleich gleicht Nachteile gerecht aus – Nein zu einer gesetzlichen Anspruchsregelung

Ein Postulat, welches die Bildungsdirektion aufforderte, den Anspruch auf Nachteilsausgleich gesetzlich zu regeln, wurde am 19. September 2016 vom Kantonsrat abgelehnt. Hier mein Votum dazu:

Sehr geehrte Frau Präsidentin
Frau Bildungsdirektorin
Sehr geehrte Damen und Herren

Die SVP hat bekanntlich vor dreiviertel Jahren in diesem Parlament bessere Richtlinien für den Nachteilsausgleich gefordert, weil wir in einem Punkt mit den Postulanten tatsächlich einig sind, nämlich dahingehend, dass heute betreffend dem Nachteilsausgleich einiges unklar und sogar ungerecht, manchmal willkürlich,  geregelt ist.

Was die Postulanten hier aber fordern, sind leider keine klaren Richtlinien, sondern neue Gesetzesparagrafen. Wir befürchten erstens, dass ein neues Gesetz auch neue Ansprüche heisst.

Zweitens begründet die Regierung in ihrer Antwort gut, weshalb es kein Gesetz braucht und verspricht auch die heutige Broschüre zu Angeboten für Schülerinnen und Schüler mit besonderen Befürfnissen zu erweitern und besser zu informieren, wir nehmen Sie beim Wort Frau Steiner.

Doch natürlich möchten wir für diese Überarbeitung eine Richtung vorgeben. Sie müssen den Nachteilsausgleich dadurch stärken, in dem Sie ihn glaubwürdiger machen. Sie müssen dafür sorgen, dass genau so, wie Blinde keine Pilotenprüfung bestehen und Gehbehinderte keinen Bergführerkurs belegen können oder Kantonsrat Bruno Amacker und ich «keine Model» werden können, auch Menschen mit Lese- und Rechtschreibeschwäche oder mit Aufmerksamkeitsdefizit eben nicht ihre Leistungen an Aufnahmeprüfungen zu Mittelschulen oder bei anderen Selektionen in Deutsch und Konzentrationsfähigkeit kaschieren können. Nicht die Behinderung verstecken, sondern deren Nachteile dort ausgleichen, wo man nicht behindert ist, und Potential hat. So wäre der Nachteilsausgleich auch gedacht, wird aber heute anders praktiziert.

Legastheniker sollen keine dank Hilfmittel verbesserte Deutschnote erhalten – so ist das nämlich heute dank Nachteilsausgleich obwohl Buchstaben, Gross- und Kleinschreibung dauernd verwechselt werden und das Lesen nicht klappt – Der Legastheniker soll aber durchaus Mathematiker oder Naturwissenschaftler werden können. Dort lassen sich die Deutschfähigkeiten herausrechnen, denn es geht nicht um diese primär.
Nochmals in anderen Worten: Indem dem Legastheniker heute der Leistungsnachweis in Rechtschreibung erlassen wird und dennoch eine bemerkungslose Deutschnote im Zeugnis steht, welcher man die Lese- und Rechtschreibeschwäche nicht mehr anssieht – wird der Nachteilsausgleich in der Praxis nicht als Ausgleich, sondern als Etikettenschwindel missbraucht.

Ein Nachteilsausgleich, welcher jemanden, der sich kaum konzentrieren kann, an einer weiterführende Schule befördert, an welcher genau diese Konzentration für sich selbst aber auch für andere in der Klasse erforderlich wäre, ist ungut und sollte verhindert werden.

Wenn Sie den Blick auf diese Fälle zu werfen gewillt sind, Frau Steiner, und denn Nachteilsausgleich etwas präziser als heute empfehlen, dann wird er auch allgemeiner eingesehen und akzeptiert.

Doch dies ist Stoff für Richtlinien, nicht für Gesetze!

Aus diesem Grund wird die SVP dieses Postulat nicht überweisen.