Editorial – Hüntwanger Mitteilungen – kommen, gehen und sich begegnen

Liebe Einwohnerinnen und Einwohner

Es ist weihnachtet und trotzdem beginne ich unromantisch mit alten Zahlen vom Statistischen Amt des Kantons Zürich: 2018 hatten wir in Hüntwangen 84 Zuzüge, 82 Wegzüge und 6 Geburten bei 1028 Einwohnerinnen und Einwohnern. Innerhalb eines Jahres zog ein Zwölftel der Hüntwanger Bevölkerung weg und ein neuer Zwölftel kam hinzu. Ob das so weitergeht? Und woran mag das liegen?

Zuerst einmal: Im Vergleich mit anderen Gemeinden ist das – erstaunlicherweise – durchaus ein normaler Wert. Und man könnte sicher viele Dinge aufzählen, die bei uns nicht so ideal sind und jemanden zum Verlassen der Gemeinde bewegen, wie die Verkehrslage, fehlenden Gewerbebetriebe im Zentrum, dass wir als Gemeinde manchmal «handgestrickt» in Erscheinung treten. Doch ich möchte lieber von jenen Dingen schreiben, die jemanden bei uns behalten: Die Natur, die schönen Riegelhäuser. Und dass Hüntwangen übersichtlich ist. Wir haben die Chance, dass sich alle gegenseitig kennen!

Ist das ein Vorteil? Natürlich müssen sich nicht alle mögen und in die Dorfgemeinschaft integrieren. Ausdrücklich schreibe ich: Privatsphäre ist ein hohes Gut und die Freiheit des Einzelnen ist zentral, ohne dass die Nachbarschaft dies kommentieren soll! Aber eine Gemeinde ist eben auch eine Schicksalsgemeinschaft, die gemeinsame Aufgaben erfüllen muss und dies nur dank dem Engagement von vielen Einwohnerinnen und Einwohnern kann. Und so bietet ein Dorf, wie wir es sind, die Chance, dass Menschen selbst zum Grund werden können, dass es einem wohl ist. Sprich: Man kann zwischenmenschlich und mit Engagement mehr beitragen, mehr gestalten, ohne dass das Engagement in einer anonymen Masse untergeht.

Der «Umsatz» eines Bevölkerungs-Zwölftels pro Jahr ist für mich zu viel. Wie behalten wir die Jungen im Dorf? Wie motivieren wir auch Neuzuzügerinnen und Neuzuzüger, sich in Vereinen, Behörden, Kommissionen zu beteiligen? Wie motivieren wir, das Stimmrecht wahrzunehmen?

Ich hoffe, dass ein gemeinsames Projekt, das zum Gelingen das Engagement vieler Einwohnerinnen und Einwohner braucht, Möglichkeiten gibt, miteinander ein unvergessliches Erlebnis zu schaffen: Das Dorffest 2021. Ich hoffe, dass die Neuzuzüger-Feier, die heuer im September als Dorfrundgang mit Ross und Wagen unter Beteiligung der Vereine stattfand, Interesse weckt. Ich hoffe, dass sich auch ältere Menschen ohne Angst getrauen, mitzumachen und Beziehungen zu pflegen, zum Beispiel auf dem Seniorenausflug. Oder dass wir uns auf dem Weihnachtsmarkt am 1. Dezember begegnen!

Wo man eng zusammen ist, können Streitereien heftig sein. Vielleicht kommt es aber gar nicht so weit, wenn wir Meinungsverschiedenheiten akzeptieren, offen diskutieren und trotz Unterschiede menschlich aneinander interessiert bleiben, uns respektieren, manchmal helfen oder schauen, das geholfen wird. Gelingt es uns, eine Art «Geborgenheit» zu erzeugen, so haben wir etwas erreicht, das uns hierbehält. Die eigene Existenz ergibt sich aus Begegnungen und die Weihnachtszeit, wo alles besonderes heimelig ist, sollte dazu Anlass sein.

Geniessen Sie diese Zeit.

matthias.hauser@huentwangen.ch

(Bild in der Vorschau: Weihnachtstanne, Verschönerungsverein Hüntwangen, www.vvh-huentwangen.ch )