Editorial – Hüntwanger Mitteilungen – Föderalismus

Liebe Einwohnerinnen und Einwohner

Die Stimmung am 1. August war speziell: Ein «Chlöpfen» da, eine Rakete dort, das Heulen eines Schwärmers, von einem entfernten Sitzplatz schwebt Musik durch die Abendluft und im Quartier riecht es nach Grill, Erinnerungen an den Servela, der sonst an diesem Abend genossen wird, an das Fest, Smalltalk, vielfältiges Lachen. Einerseits.

Andrerseits gibt es Zeit für sich und die Familie.

Auch das passt zum 1. August. Besinnen wir uns auf die Legenden: Der Schutz und die Freiheit der einzelnen Person und Familien war Grund des Aufstandes gegen Vögte, aus persönlicher Betroffenheit steckte Willhelm Tell einen zweiten Pfeil in den Köcher! Über das Mass der Eigenständigkeit des Einzelnen, der Regionen und Kantone wurde in der Schweiz oft gestritten, unser politisches System mit direkter Demokratie und Föderalismus optimierte sich so.

Wir sind frei – bis zu einem gewissen Punkt: Die «Macht» der Gemeinde beginnt dort, wo wir aufeinander angewiesen sind, beispielsweise für die Wasserversorgung, Feuerwehr, für Regeln, die verhindern, dass wir uns gegenseitig stören, wie etwa die Uhrzeit, ab welcher man draussen leise sein soll. Für Vieles ist die Gemeinde zu klein, deshalb regelt der Kanton den Lehrplan, die Polizei, den Verkehrsverbund etc. Grosse Aufgaben schaffen wir nur über Kantone hinweg: Flugverkehr, SBB, Militär, Zölle, der Franken, …, da ist der Bund im Spiel. Die nächst «höhere» Ebene nimmt sich immer nur so viel Entscheidungsspielraum, wie notwendig ist. Viele unterschiedliche Kantone, Gemeinden und Menschen leben so nebeneinander, akzeptieren sich, die Freiheit des Einzelnen ist geschützt. Heuer stand am 1. August einmal nicht die Gemeinschaft im Vordergrund, sondern das Individuelle.

Zur Freiheit gehören Rücksichtnahme und Verantwortung. Wenn einige die Polizeiordnung abendlich mit Lärm ausreizen und Nachbarn keine Ruhe finden, ist das zwar erlaubt, aber unhöflich und rücksichtslos. Wenn einige täglich auf der Strasse parkieren und andere deswegen Slalom fahren müssen, ist auch das erlaubt, aber unhöflich und rücksichtslos. Als Konsequenz wächst politisch der Wunsch nach engeren Regeln. «Die Gemeinde schaut nur zu» lautet das Argument, das stimmt, solange keine Rechte verletzt sind. Irgendwann wird dann ein Parkverbot mehrheitsfähig, Arealverbote oder eine neue Polizeiordnung. Dann ist die Freiheit auch für jene vorbei, die nur selten auf der Strasse parkieren und lärmen. Die Beispiele sind aktuell. Es gibt Menschen, die unter der Freiheit, die sich andere nehmen, leiden. Man soll aber die Chance haben, Rücksicht zu üben, bevor es zu neuen Regeln kommt. Vielleicht ein naiver Wunsch.

Für das Wohl des Einzelnen verzichten wir dieses Jahr auf Feiern, die Spass machen würden (allerdings wäre der Spass durch Schutzkonzepte eingeschränkt) und auf den Seniorenausflug. Das hat mit Solidarität zu tun: Verzichten, um niemanden zu gefährden, keinen neuen «Lockdown» zu provozieren. Die meisten Menschen tragen diese Verzichte mit. Unsere Gesellschaft ist nicht rücksichtslos! Man darf bei Negativbeispielen nie das Gesamte aus den Augen verlieren.

Ein anderes Thema: Wir haben zuerst das Finanz- und Steueramt und dann die Organisation insgesamt externen Analysen unterzogen und auf aktuelle Anforderungen geprüft. Wir werden künftig vermehrt Teilzeitmitarbeitende beschäftigen, die in ihren Gebieten (Schreiberin, Steuern, Finanzen, Kanzlei, Sozialamt) spezialisiert sind und «state of the art» erreichen oder halten. 

Es freut mich sehr, dass die Suche nach einer Gemeindeschreiberin erfolgreich verlaufen ist. Ab 1. September wird Frau Stephanie Keller die Gemeindeverwaltung führen und den Gemeinderat begleiten. Im Bereich Finanzen wird derjenige Teil, der vom ehemaligen Gemeindeschreiber Manuel Frei wahrgenommen worden ist, ad interim von Frau Judith Gutknecht geführt; die Erarbeitung einer definitiven Lösung ist auf gutem Weg.

Herzlich danke ich unserer speditiven und menschlich versierten Gemeindeschreiberin a.i., Frau Helene Staub, welche in ihrer Hüntwanger-Zeit die personellen Wechsel kompetent begleitet hat.

Gerne stehe ich für Ihre Fragen zur Verfügung!

Mit freundlichen Grüssen

Matthias Hauser, Gemeindepräsident
matthias.hauser@huentwangen.ch