Behördenpropaganda zur Armeereform XX1

Unvollständige CD-Rom als Propaganda

In meinem diesjährigen Wiederholungskurs (WK) im Mai erhielt ich als Kompaniekommandant-Stellvertreter den Auftrag, die Mannschaft im Rahmen des Truppeninformationsdienstes (TID) mittels der offiziellen Militärgesetzteilrevisions-CDRom des Bundesamts für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) über die Abstimmung vom nächsten Sonntag zu informieren. Dabei stellte ich fest, dass die Bundes-CD nur das Denken der Befürworter wiedergibt und war somit, obwohl mit Steuergeldern finanziert, nicht objektiv. Ich kann dazu Beispiele aufzählen:

  1. Es wird ausgeblendet, in welchem sicherheitspolitischen Kontext die Vorlage zu betrachten ist.
    Die Bewaffnung der Truppen im Ausland wird als kleine Änderung eines bisherigen Zustands verkauft: Nirgends wird erwähnt, dass Truppen im Ausland überhaupt ein Element des kompletten Strategiewechsels der Schweizer Armee darstellen, weg von der Verteidigung, hin zur Kooperation (mit der Nato). Die Abstimmung vom 10. Juni bildet die erste, wichtigste und voraussichtlich einzige Möglichkeit für die StimmbürgerInnen, darüber abzustimmen. Gibt es ein „Ja“, ist der Strategiewechsel der Armee vorbestimmt. Um die Vorlage heute als so kleinen Schritt verkaufen zu können, hat der Bundesrat trotz dem Nein des Volkes zu den Blauhelm-Truppen seit 1994 ungefragt laufend Tatsachen geschaffen (Gelbmützen, Swisscoy, bewaffnete Festungswächter im Ausland). Vor diesem Hintergrund ist klar, dass die Fragen vom 10. Juni mehr Gewicht haben, als der Bund verlauten lässt – wäre dem nicht so, hätte man die Frage sowieso im Rahmen des neuen Armeeleitbildes 21 integriert lassen können – die Tatsache, dass der Bundesrat diesen Teil des Militärgesetzes vorwegnehmend behandelt, zeigt, dass seine Bedeutung weit über den Selbstschutz hinausgeht.
  2. Die Bundes-CD betont die Frage der Ausbildungszusammenarbeit stärker als diejenige der bewaffneten Auslandeinsätze.
    Sie macht dies, weil die Autoren wohl richtigerweise vermutet, dass die Befürwortung der Ausbildungszusammenarbeit eher zu einem „Ja“ in der Bevölkerung führt und die Bewaffnung an der Neutralitätsfrage scheitern könnte. Für die Gegner der Vorlage – nimmt man die GSOA dazu – ist aber insgesamt die Bewaffnungsfrage wichtiger.
  3. Falsche Argumente:
    Die Gegner der Vorlage behaupten nicht, dass es in Kriegsgebieten keine bewaffneten Mächte braucht, die für die Sicherheit und Befriedung der Region sorgen. Nur: Die Spezialität der Schweiz liegt in der humanitären und zivilen Hilfe und läge in der Vermittlung. Die Spezialität gewisser anderer Staaten liegt militärischer Gewalt – der Beitrag der Schweiz zur Sicherheit wäre – im Gegensatz zum Beitrag in der humanitären Hilfe – eine „quantitée négligable“. Dass die Zahl der Asylgesuche in der Schweiz mit dem Eingreifen der Nato im Kosovo zurückging, hat nichts mit dem Einsatz der Schweizer Truppen im Ausland zu tun, sondern mit dem Beginn des militärischen Einsatzes und der humanitären Hilfe überhaupt (Massnahmepaket, zu welchem wir auch in Zukunft unseren Beitrag in Form von unparteiischer humanitärer Hilfe leisten). Das suggerierte Argument die Schweiz müsse mit der Armee ins Ausland, damit die Asylgesuche bei uns zurückgehen, ist schlicht falsch.
  4. Bestehende Tatsachen werden weggelassen:
    Bereits heute findet Ausbildungszusammenarbeit auf Grund von Einzelverträgen statt. Solche Einzelverträge haben den grossen Vorteil, dass beide Vertragsnehmer weniger gebunden sind, nämlich immer nur für die einzelne Vertragssituation. Für die neutrale Schweiz ist diese Ungebundenheit wichtig, besonders dann, wenn sich die Lage in Europa ändert. Auf der CD wird über diese Vorteile nicht gesprochen. Informieren sollte man die Stimmbevölkerung auch über folgende Punkte: 1. Die Bewaffnung hat, gemäss Gesetz, dem Auftrag angepasst zu sein, aber „Auftrag“ wird nicht näher definiert. 2. Amtsstellen im VBS wollten für die Bewaffnung im Ausland sogar Schützenpanzer einsetzen (man nenne mir den friedensunterstützenden Auftrag, zu dem Schützenpanzer notwendig sind…). 3. Es ist geplant den Bestand an Truppen im Ausland massiv zu vergrössern. 4. Die Armee 21 soll erklärtermassen von einer ausbildungs- zu einer einsatzorientierten Armee werden. Wiederum müssen zur objektiven Beurteilung der Vorlage Punkte 1 bis 4 zusammengezählt werden. Nur über das Wort „Bewaffnung“ zu informieren, ist parteiisch (und eindeutig Sand in die Augen der StimmbürgerInnen gestreut).

Als Fazit kann nüchtern festgestellt werden, dass der Bundesrat mit Steuergeldern und auf unwidersprechbaren Kanälen (via Armee) die Bevölkerung parteiisch informiert, indem er Hintergründe der Vorlage ausblendet. Blenden wir diese wieder ein, sehen wir, dass sich die Schweizer Armee, gibt es am 10. Juni ein „Ja“, künftig ihren Sinn durch Einsatzorientierung im Ausland geben wird. Was ein „einsatzorientierter Auslandeinsatz einer Armee“ bedeutet, flimmert jeden Abend in schrecklichen Bildern via Tagesschau in unsere Wohnstuben. Jenen Militärköpfen im Lande, welche sich wünschen, ihre Ausbildung endlich auf dem Schlachtfeld anwenden zu können, muss am 10. Juni eine sehr deutliche Abfuhr erteilt werden. Die Bilder in der Realität werden schlimmer sein, als die ruhigen Soldatenfriedhöfen auf den Plakaten der Gegner, und dass sich der Bundesrat angesichts seiner steuergeldfinanzierten, nichtojektiven, abhängigkeitsverhältnisausnutzenden – Propaganda über die Kampagne der Gegner auslässt, grenzt an Amtsverletzung.