Altersvorsorge 2020: Problemverschiebung statt Zukunftsfähigkeit

Nein werde ich stimmen zur Reform Altersvorsorge 2020, weil sie das Problem der Pensionskassen und der AHV nicht löst, sondern nur verschiebt. Diese Verschiebung bewirkt, dass jene Generationen mehr bezahlen, die am Schluss das verschobene Problem statt eine gesunde Altersvorsorge erben und deshalb vielleicht selber einst keine oder viel weniger Rente haben werden. Mein Anspruch an das Parlament ist höher, als er mit der Abstimmungsvorlage geleistet wurde: Nicht einen kleinstmöglichen Kompromiss, sondern eine mehrheitsfähige Strategie gehört auf den Tisch!

Dennoch, als Gesprächsleiter durfte ich eine Podiumsdiskussion neutral leiten. Und selbstverständlich habe ich auch einen neutralen Bericht über die Diskussion verfasst. Diesen gebe ich hier gerne wieder. Beide Referenten, Pro und Kontra, haben es übrigens gut gemacht.

Streit um die Altersvorsorge 2020

Nationalrätin Priska Seiler-Graf (SP) und der Versicherungsmanager Markus Binder, Präsident der SVP-Arbeitsgruppe Altersvorsorge, sind sich einig: Die Abstimmungen zur AHV am 24. September retten die Altersvorsorge nicht. «Besser als keine Alternative» sagt Seiler, was für Binder «ein Schritt mit zu vielen Nachteilen» ist. Die beiden diskutierten am 30. August in Kloten.

Auch über das Grundproblem herrscht Einigkeit: Als die AHV gegründet wurde, finanzierten 6.5 Arbeitnehmer eine Rente, in wenigen Jahren müssten die Lohnabzüge von zwei Arbeitstätigen für eine Rente reichen. Das funktioniert nimmer. Schon heute wird deshalb ein Fünftel der AHV-Ausgaben von allgemeinen Bundessteuern bezahlt und aus 0.83 Mehrwertsteuerprozenten. Ein Ausgleichsfonds deckt Jahresdefizite, die erstmals seit 2014 auftreten. Bis ins Jahr 2031 sollen diese Reserven aufgebraucht sein, mit der Reform, über die wir nun abstimmen, etwas später. Weiter Vorlagen müssen folgen. Dabei ist Grund der Misere erfreulich, nämlich, dass die Menschen immer älter werden. Das Streitgespräch wurde vom SVP-Bezirkspräsidenten Matthias Hauser geleitet.

70 Franken mehr Rente?

Eine der (vielen) Massnahmen, über die wir abstimmen, ist eine Rentenerhöhung von 70 Franken. «Damit gleicht man aus, dass man mit dieser Vorlage den obligatorischen Mindestumwandlungssatz der Pensionskassen senkt, womit künftige Generationen weniger Rente haben», erklärt Priska Seiler-Graf. «Das Geld der Pensionskassen bringt bei den heutigen Zinsen die Rendite nicht, die es braucht, um später Renten zu zahlen. Aber man darf dieses Problem der Pensionskassen nicht mit der AHV verknüpfen» fordert Binder. «Dass Frauen künftig ein Jahr länger als bisher arbeiten müssen, gleich lang wie Männer, finanziert gerade die 70 Franken Rentenerhöhung, statt dass sie zur Rettung der AHV beiträgt». «Die höhere Rente ist ein minimales Entgegenkommen. Viele Menschen sind froh darum», kontert Seiler. «Viele der Bedürftigsten, die heute Ergänzungsleistungen erhalten, sind nachher ärmer dran, da sie dank der höheren Rente für die Ergänzungsleistungen nicht mehr berechtigt sind», widerspricht Binder.

Höhere Einnahmen bezahlen vor allem die Jungen

Notwendig für die Sanierung der Altersvorsoge sind auch höhere Einnahmen. Folgende stehen zur Abstimmung: Höhere Lohnabzüge (0.15% für die AHV und je nach Alter bis zu 1% für die Pensionskassen) sowie eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um 0.3 Prozent. «Die AHV ist ein unbestrittenes Sozialwerk, da ist der Einsatz von Steuermitteln gerechtfertigt», ist Priska Seiler-Graf überzeugt. Damit verteuern sich die Kosten für den Wirtschaftsstandort «das können wir uns nicht leisten», so Markus Binder. Beide gestehen: Je jünger jemand ist, desto länger bezahlt er diese Refom mit höheren Lohnabzügen und höherer Mehrwertsteuer – und erlebt zudem die Rentenkürzung gegenüber heute. Besitzstandwahrung betreffend Renten hingegen gilt für die über 45jährigen. «Es wäre unfair», so Seiler-Graf, «die Spielregeln zu ändern, nachdem eine Generation ein Leben lang gearbeitet hat. Junge können besser auf die Änderung reagieren». «Ohne eine Vorlage, die wirklich saniert, werden die Jungen gar nichts mehr erhalten» ist Binder überzeugt. «Das Parlament muss endlich seine Arbeit tun!». Möglichkeiten wären eine noch weitere Erhöhung des Rentenalters mit Branchenlösungen dort, wo belastende Berufe dies gesundheitlich nicht zulassen (z.B. Baugewerbe), eine tiefere, demografiegerechte AHV-Rente und dafür ein Ausbau der zweiten und dritten Säule. «Oder eine anständige Erhöhung der Mehrwertsteuer, wie das andere Länder auch haben», so das linke Rezept, an welches Priska Seiler-Graf während der Diskussion mit dem Publikum erinnert.

Dieses stellte doch einige Fragen. Bemerkt wurde von Gast Mariano de Palatis Folgendes: «Man erhält nicht weniger Rente, sondern gleich viel wie früher, einfach über mehr Jahre verteilt». Doch wahr ist im Alter halt auch: Nicht alle leben länger und Alter kann auch teuer sein. Fazit: Die Abstimmung vom 24. September wird die komplexen Probleme der Altersvorsorge mit Bestimmtheit nicht lösen.