Ablösung durch neue Rafzerfelder Kantonsräte

Andreas Keiser und Yannick Maag stehen bereit. Interview als Abtretender in den Schaffhauser Nachrichten vom Donnerstag, 5. Januar 2023. Die Fragen stellte Alexander Joho.

«Es gibt noch andere Dinge im Leben als Politik»

Zum Jahreswechsel 2022/23 hakt das Ressort Weinland der «Schaffhauser Nachrichten» erneut bei total fünf Zürcher Kantonsräten nach, bei den vier aus dem Weinland und zum zweiten und vorläufig letzten Mal auch bei einem aus dem Rafzerfeld: Matthias Hauser (SVP), Sekundarlehrer in Flaach und Gemeindepräsident von Hüntwangen, politisiert seit 2003 im Kantonsrat. Nach 20 Jahren ist für ihn jedoch Schluss: Hauser kandidiert nicht mehr für die kantonale Legislative.

Herr Hauser, warum treten Sie nicht mehr für die Kantonsratswahlen an? Sind Sie amtsmüde geworden?

Matthias Hauser: Das Amt macht mir auch nach 20 Jahren noch grossen Spass. Damit eine Partei langfristig Erfolg hat, müssen Kandidatinnen und Kandidaten jedoch nach zwei oder drei Wahlkämpfen echte Erfolgschancen erhalten. Das geht nur, wenn Bisherige irgendwann zurücktreten. Als Parteipräsident der SVP Bezirk Bülach möchte ich diese Erneuerung ermöglichen. Es gibt zudem noch andere Dinge im Leben als Politik, und man soll sich nicht zu wichtig nehmen. Diese Einsicht hatten leider vor acht und zwölf Jahren einige verdiente Seniorinnen und Senioren auf der damaligen SVP-Nationalratsliste nicht. Das war nicht gut für die Partei.

Wer soll denn an Ihrer Stelle die Anliegen des Rafzerfelds im Kantonsrat vertreten?

Hauser: Andreas Keiser aus Glattfelden und Yannick Maag aus Eglisau – zwei Kandidaten der SVP Liste 1. Keiser hat einen aussichtsreichen Listenplatz. Damit die Wahl jedoch gelingt, braucht es je zwei Stimmen aller Rafzerfelderinnen und Rafzerfelder für die beiden. Sonst ist der Kanton Zürich nördlich des Rheins nicht mehr im Parlament vertreten.

Wo sehen Sie Ihre Erfolge und wo die Misserfolge aus den vergangenen 20 Jahre als Kantonsrat?

Hauser: Heute ist in der Bildungspolitik Praxistauglichkeit wichtiger als Ideologie. Zusammen mit Anderen habe ich während meiner ganzen Amtszeit ideologische Reformen bekämpft, welche, angeführt von der SP, von der heutigen Mitte-Partei (davor CVP/BDP) und der FDP mitgetragen worden sind. Die stets vernünftigen Gegenargumente und die Erkenntnis, dass diese da und dort berechtigt gewesen wären, haben innerhalb der Vorlagen das eine oder andere korrigiert, den heutigen Pragmatismus vorbereitet. Der Misserfolg war natürlich, dass die meisten Vorlagen (Volksschulgesetz, Harmos, Kinder- und Jugendheimgesetz, etc.) als Ganzes nicht verhindert werden konnten. Ein weiterer Erfolg ist die hoffentlich baldige Auflösung zweier Verkehrsprobleme im Unterland: Der Stau-Kreisel Kreuzstrasse/Hardwald sowie die Projektierung der Umbau Eglisau gehen auf Vorstösse zurück, bei denen ich mitgearbeitet habe. Zudem, von den Medien kaum beachtet aber insgesamt sehr bedeutend: Darauf gekommen dank der finanziellen Situation meiner eigenen Gemeinde gelang es, eine Gesetzesänderung oder Korrektur des neuen Gemeindegesetzes aufzugleisen, welche es den Zürcher Gemeinden erlaubt, Defizite zu budgetieren ohne die Steuern mit dem mittelfristigen Ausgleich erhöhen zu müssen, solange sie Nettovermögen haben. Damit wird überhaupt erst ermöglicht, dass die Gemeinden ihr Nettovermögen aufbrauchen können – damals insgesamt fast 1,9 Milliarden Franken im Kanton Zürich. Sehr wichtig war auch eine Änderung im Richtplan zu einem Interessenkonflikt im Kiesabbaugebiet Chüesetziwald: Wald und Grundwasser verhindern eine sinnvolle Geländegestaltung, nun müssen alle Interessen kurz- bis mittelfristig koordiniert werden.

Was halten Sie von der Gruppierung «Aufrecht Zürich», die teilweise zusammen mit der Freien Liste zur Wahl antritt? Und wie schätzen Sie deren Wahlchancen ein?

Hauser: Diese Ein-Themen-Gruppierungen nutzen den Unmut der Bevölkerung über die Coronapolitik der Behörden und leben so von wissenschaftsfeindlichem Misstrauen. Viele dieser Kandidatinnen und Kandidaten hatten nie ein Exekutivamt mit Verantwortung inne und, sofern sie schon in Parlamenten sassen, gehörten zu den originellen Aussenseitern, teilweise wurden sie aus anderen Parteien ausgeschlossen. Wenn die Stimmbevölkerung dies erkennt, werden diese komischen Gruppen weniger als ein Prozent holen. Nur über das «wenn» in diesem Satz bin ich mir leider nicht so sicher…

Wie konnten Sie sich in den vergangenen zwölf Monaten im Kantonsrat einbringen, sowohl im Rat selbst wie auch in der Kommission für Bildung und Kultur?

Hauser: Aufgrund eines älteren Vorstosses von mir wurde 2022 die Volksschulverordnung geändert: Damit muss man an Sekundarschulen Stammklassen nicht mehr unbedingt in Gruppen aufteilen, wenn man die Schülerinnen und Schüler in verschiedenen Anforderungsstufen unterrichtet. Etwas für mehr Wirbel gesorgt hat meine Forderung, der Kanton Zürich solle die politische Neutralität des Unterrichts an den Mittelschulen untersuchen, so wie im Kanton Aargau der Fall. Dies hat der Kantonsrat leider abgelehnt. Mit Erfolg habe ich dafür gekämpft, dass im Volksschulgesetz geregelt wird, dass Leistungen im Zeugnis zwingend mit Noten gezeigt müssen, ab der zweiten Klasse: Es gibt an zahlreichen Schulen, vor allem an Primarschulen, Ansätze zur Aufweichung der Notenpflicht durch andere Systeme, zum Beispiel durch Farbcodes, Lernberichte. Die kreativen und durchaus gut gemeinten Ansätze dürfen nicht soweit gehen, dass damit einst Notenzeugnisse ersetzt werden, davon träumen nämlich linke Bildungspolitikerinnen.

Welche Vorgänge haben Sie im Ratsbetrieb 2022 generell am meisten gefreut – und welche am meisten geärgert?

Hauser: Gefreut hat mich die speditive Art, wie heuer die Budgetdebatte vorwärts ging, sowie bei der vorletzten Frage genannten Erfolge in der Bildungspolitik. Ärgern tun mich Debatten, die nur der Profilierung dienen, zum Beispiel bei der Genderfrage. Haben wir keine wichtigeren Probleme, als die Schreibweise von Wörtern mit oder ohne Doppelpunkt? Diese Kritik betrifft Befürworter und Gegnerinnen oder umgekehrt: Ich empfinde solche Diskussionen als reinen Zeitverlust. Oder die Debatten über die Coronapolitik: Das meiste haben unsere Behörden gut gemacht und ob man das so oder anders empfindet, darf nicht zu einer Frage der Parteien werden. Doch manchmal wird sogar über Fakten gestritten, das nervt dann.