Neuer Berufsauftrag: Bürokratie statt Entlastung

Künftig müssen die Lehrpersonen täglich die Zeit für ihre zahlreichen Tätigkeiten detailliert erfassen. Die Arbeit in der Schulkonferenz und für das Lehrerteam, die Elternarbeit und Arbeit für die Schulbehörde und Schulleitung und die Weiterbildung müssen detailliert erfasst werden. Für andere Tätigkeiten wird eine Stundendotation festgelegt (z.B. für den eigentlichen Unterricht, für die Tätigkeiten als Klassenlehrer). Die Schulleitungen können einzelne Lehrpersonen mit zusätzlichen Stunden „dotieren“. Die ganze Vorlage bringt vor allem eines: Bürokratie, Unselbständigkeit und Unfrieden. Leider ist der Kantonsrat trotzdem darauf eingetreten. Hier mein Votum dazu:

 

Anrede

Im Volksschulgesetz, in der Volksschulverordnung, im Lehrerpersonalgesetz und in der Lehrerpersonalverordnung ist gut aufgezählt, welches die Aufgaben, Pflichten einer Lehrperson sind.
Auch bei Schulleitungen – deren Ausbildung ja nur wenige Wochen länger dauert als diejenige von Lehrpersonen – vielleicht sogar weniger, falls die Schulleitung keine Lehrperson ist – gibt es vom Kanton aus keine über diese Gesetzesgrundlagen hinausgehende Formulierung eines Auftrages. Der Kantonsrat hat eine solche Berufsauftragsformulierungen im Schulleitungsfall ganz klar abgelehnt.
Denn Schulleitungen – und das gilt auch für Lehrpersonen – sind mit ihrem guten Lohn für die Pflichten und Aufgaben, die ja bereits aufgezählt sind, entschädigt. Egal, wie viel Zeit sie dazu benötigen. Es sind Kaderstellen, der Job muss erfüllt sein.

Wenn Sie mit der vorliegenden Gesetzesänderung die Zeiterfassung für einzelne Tätigkeiten verlangen und alle Tätigkeiten mit detaillierten Stundendotationen versehen, ist dies ein theoretisches Konstrukt, welches der Realität nicht standhält.

Die Zeit detailliert erfasst werden muss laut Gesetzesvorschlag für Aufgaben als Mitglied der Schulkonferenz. Darunter fallen beispielsweise die wöchentliche Schulkonferenz, IT-Kommission und die Umsetzung der Informatik-Beschlüsse, meine zwei Lektionen Schülerparlamentscoaching pro Woche, Öffentlichkeitsarbeit, Material- und Lehrmittel-Bewirtschaftung, Apparatekustos, Verabschiedungen organisieren, die Nachtaufsicht in der Sport-Projektwoche Tenero, das Skilager etc.

Die Zeit detailliert erfasst werden muss für die Zusammenarbeit mit Eltern, der Schulleitung und der Schulbehörde: Die Teilnahme an den Schulpflegesitzungen der Lehrervertretung, die Erledigung von Aufgaben der Schulleitungen, zum Beispiel das Erstellen des Stundenplanes, das Organisieren von Team-Weiterbildungen, Sitzungsleitung, wenn die Schulleitung abwesend ist, Evaluation. Und dann die Elterngespräche: Die vorgesehenen 50 Lektionen pro Jahr habe ich im Februar aufgebraucht. Soll ich dann auf weitere Gespräche verzichten? Das geht nicht – denn damit würde mein Job verunmöglicht.

Die Zeit detailliert erfasst werden muss auch für die Weiterbildung. Einfach ist das bei klar abgegrenzten Weiterbildungsveranstaltungen. Und mein Kurs, den ich bei der Naturwissenschaftlichen Gesellschaft besuche? Nur schon, was ich pro Jahr in meinen Fächern, den Naturwissenschaften, mich selbst an neuen Themen ausbilde: Erfassen oder nicht?

Das sind unpraktikable Fragen.

In einer Mittagspause liest eine Lehrperson beispielsweise beiläufige zum Essen das IT-Konzept für die Einführung von iPads, bespricht mit einer Kollegin ein Detail der gemeinsamen Verabschiedung der 3. Klassen, trägt Lehrmittel ins Schulzimmer, führe ein Telefonat mit Eltern. Am Abend bespricht sie den Projektunterricht mit zwei Kollegen während 30 Minuten, erfasst Verhaltenseinträge und mündliche Noten im Lehreroffice, räumt das Chemiezimmer auf, telefoniert nochmals mit Eltern, korrigiert 15 Hefte, putzt die Tafel, weil der zuständige Schüler das vergessen hat und trägt anschliessend die Heftnoten noch ins Lehreroffice ein.

Gilt der neue Berufsauftrag, so sitzt die Lehrperson nun noch hin, und versucht sich zu erinnern, was sie am Tag alles gemacht hat, zu welcher Tätigkeit dies gehört, wie viel Zeit es gekostet hat, und trägt es in das Online-Tool zur Zeiterfassung ein. Und DAS nennen einige Kantonsräte „Entlastung“. In der Realität ist es nur eine Verkomplizierung des Alltages.

Und hoffentlich ist diese Zeiterfassung dann der Schulleitung genehm. Denn diese kann ja künftig festlegen, welche meiner Tätigkeiten nun wie viel Zeit kosten sollten. Kollege A hat vielleicht noch mehr, Kollege B etwas weniger Zeit gebraucht, hat aber dafür eine psychisch belastendere Aufgabe übernommen. Auf diese Diskussionen freue ich mich nicht. Sie belasten und sind nicht gut für das Team.

Die Haltung, die wirklich hinter dem Berufsauftrag steckt, kam im Votum von Frau Thomet (Corinne Thomet, Kantonsrätin CVP, Schulpräsidentin Kloten) deutlich zum Ausdruck: Nicht die Flexibilität freut sie, Frau Thomet, sondern das neue Führungsinstrument für die Schulleitungen, die mit dem neuen Berufsauftrag für Lehrpersonen bis auf die Minute ihre besser ausgebildeten Untergebenen steuern können werden. Aber natürlich sind ja auch die Schulleitungen bereits heute überlastet. Es könnte folglich also sogar so herauskommen, dass es schlussendlich noch die Schulleitungen sein werden, welche wegen dem Berufsauftrag für Lehrpersonen Entlastung erhalten werden. Das heisst: Es wird teurer für nichts anderes als mehr Bürokratie.

Darauf darf man nicht eintreten.