Streit um die Selbstbestimmung

Was ist höher – Völkerrecht oder die Volksrechte? Über diese Frage stritten Ständerat Daniel Jositsch (SP) und Nationalrätin Natalie Rickli (SVP) vor über 80 Zuschauerinnen und Zuschauer, am 5. September in Bachenbülach. Volksinitiativen als Papiertiger? Gesprächsleiterin Romaine Rogenmoser, Bülacher Gemeinderätin, lenkte schon zu Beginn der Debatte auf ein prominentes Beispiel: Die Ausschaffungsinitiative. Wenn das Volk darüber abstimmt, dass ausländische Straftäter die Schweiz nach Absitzen der Strafe verlassen müssen – weshalb wird dies dann nicht in jedem Fall automatisch durchgeführt?

Ausschaffungsinitiative durchsetzen

Daniel Jositsch fand die Ausschaffungsinitiative zwar unpraktikabel und lehnte sie ab, war aber im Parlament durchaus, zusammen mit Natalie Rickli, für eine konsequente Umsetzung. «Initiativen nur zum Zeichen setzen lehne ich ab – wer A sagt, muss auch B sagen», so Jositsch. Aber: Ein Entscheid des Bundesgerichtes, welches bei einem mazedonischen Drogendealer die Ausschaffung untersagte, verhinderte die automatische Umsetzung. Das «Recht auf Familienleben» wiegt höher als international anerkanntes Menschenrecht. Ständerat Jositsch findet den Entscheid richtig – für Natalie Rickli hingegen ist unverständlich, dass Richter eigene Meinungen zum Völkerrecht über klare Ausschaffungs-Vorgabe der Verfassung stellen und die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) damit höher gewichten. «Es macht viele Stimmbürgerinnen und Stimmbürger demokratiemüde, wenn vom Volk beschlossene Dinge nicht umgesetzt werden!»

Dank der SVP kommt deshalb die Selbstbestimmungsinitiative im kommenden November zur Abstimmung: Volksentscheid geht vor, heisst es dann in der Verfassung. Damit könnten künftig auch Bundesrichter den Willen einer Initiative nicht mehr aushebeln.

«Dadurch müsste», so Daniel Jositsch, «die Europäische Menschenrechtskonvention gekündigt werden». Einig war man sich auf dem Podium, dass diese ab und zu leicht verletzt werden könnte durch einen Volksentscheid. Rickli: «Aktiv von der Schweiz aus muss die Konvention deswegen aber nicht gekündigt werden und zudem garantiert die Schweizerische Bundesverfassung mehr Menschenrechte als viele anderen Verfassungen». Jositsch: «Das Bundesgericht muss mit Gesetzen entscheiden – Verfassungsartikel sind beim Bundesgericht nicht klagbar – der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ist deshalb das einzige Gericht, in dem Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz Menschenrechte einklagen können und dazu braucht es die Menschenrechtskonvention».

Bilaterale neu verhandeln?

Zweites Beispiel ist die Volksinitiative «Gegen Masseneinwanderung». Der bilaterale Vertrag über den freien Personenverkehr mit der EU widerspricht der Umsetzung der Initiative teilweise. Natalie Rickli fordert die Umsetzung des Volkswillens und nötigenfalls Neuverhandlungen mit der EU «Internationale Verträge müssen in Frage gestellt werden können». Jositsch: «Unser Wirtschaftsstandort braucht Rechtssicherheit, man kann nicht immer wieder übergeordnetes Recht in Frage stellen». Aus dem Publikum: «Die USA beabsichtigen nicht immer, sich an internationale Verträge zu halten». Das stimme, aber sie seien die mächtigeren Partner von Verträgen und Abkommen und können Neuverhandlungen erreichen, eine andere Position, als sie die Schweiz habe, antwortete sinngemäss der Ständerat.

Vertrauen in die Schweiz – ein Fazit

Ob man dem Völkerrecht den absoluten Vorrang gibt oder die Selbstbestimmungsinitiative im kommenden November unterstützt, hängt nicht nur mit dem Willen zusammen, die Volksrechte durchzusetzen, sondern mit dem Vertrauen in die eigene Stärke, wenn es deswegen auf dem internationalen Parkett auch mal etwas holprig wird.

Bericht, Fotos, Organisation: Matthias Hauser, SVP Bezirk Bülach