Staatsschule dank freier Schulwahl

Das Killer-Argument gegen die freie Schulwahl kam in der bisherigen Berichterstattung kaum zur Sprache: Sie führt zur Abschaffung der Schulgemeinden und stärkt den Zentralismus.

Weil die Schule die Zukunft und das Glück unserer Kinder gewichtig beeinflusst, weil die Erziehung von Haltungen in die Privatsphäre von Familien eingreift und ihr die Gefahr der Ideologisierung innewohnt ist es vernünftig und freiheitlich, dass Bürgerinnen und Bürger die Schule selbst in die Hand nehmen. Das tun sie in Schulgemeinden. Sie wählen und kennen ihre Schulpflegen, nehmen an Gemeindeversammlungen Einfluss, sollen sich als Schulträger einbringen, nicht in einer machtlosen, vom Gesetz vorgeschriebenen Elternarbeit, sondern als oberste demokratische Behörde. Noch vor zwei Jahrzehnten wurden im Kanton Zürich Lehrpersonen von der Gemeindebevölkerung gewählt – und dieser waren sie verpflichtet. Noch vor einem Jahrzehnt war selbst die Aufsicht über die Schulgemeinden regional organisiert und gewählten Milizbehörden übertragen; Persönlichkeiten, die mit beiden Beinen im Leben standen und oft auf Grund von jahrelanger eigener Erfahrung in Gemeindebehörden Kompetenz und das Vertrauen der Bevölkerung besassen. Die Volksschule ist ein zutiefst föderalistisches Institut.

Wer engagiert sich in einer Schulgemeinde, wenn die Kinder eine andere Schule besuchen?

Wer wird noch die Schule in seiner Gemeinde pflegen und beaufsichtigen wollen, wer wird sich noch an Schulgemeindeversammlungen exponieren wollen, wenn seine Kinder genau so gut auf Kosten der Steuerzahler in die Nachbar- oder eine Privatschule gehen können? Föderalismus – und damit die Schulgemeinden – bedingen das Territorialprinzip (man geht dort zur Schule, wo man für deren Organisation verantwortlich ist und die Folgen dieser Verantwortung trägt, und wo man sie mit den eigenen Steuern auch bezahlt). Die freie Schulwahl bricht dieses Territorialprinzip: Wer für sie eintritt, nimmt naiv oder mutwillig das Absinken der Schulgemeinden in die Bedeutungslosigkeit in Kauf. Und fördert damit den Zentralismus. Erst durch die Abschaffung der Schulgemeinden wird die Volksschule definitiv zur eigentlichen “Staatsschule“ – die kantonal gesteuert von der Natur der Sache her zunehmend gleichgeschaltet und mit flächendeckend gleicher Qualität angeboten wird („harmonisiert“). Konsequenz: Die freie Schulwahl mag die Wahlfreiheit der Eltern vergrössern, verkleinert aber die Vielfalt innerhalb des öffentlichen Angebots.

Kritik an der öffentlichen Schule ist berechtigt

Die Kritik der Elternlobby an der öffentlichen Schule indessen ist berechtigt: Bürokratie statt Qualität. Nur: Es sind gerade Zentralisierungen, welche die Bürokratie aufgebaut haben und die Mitarbeiter an der Front derart mit nutzlosem Papierkram beüben, dass die Schulqualität darunter leidet. Beispiele: Die kantonale Fachstelle für Schulbeurteilung in Zürich beschäftigt über 50 Vollzeitstellen, “misst“ die Qualität einer Schule alle vier Jahre und erlässt Empfehlungen, welche aufwendig aber für erfolgreichen Unterricht nicht entscheidend sind. Oder die Harmonisierung der Volksschule zwischen den Kantonen (HarmoS): Der zentrale Verwaltungsapparat der Erziehungsdirektorenkonferenz umfasst über 50 Vollzeitstellen, dazu kommen Mitarbeiter der Regionalkonferenzen, Kantonsverwaltungen und an pädagogischen Hochschulen, welche die Entscheid umsetzen. Ob zentralistisch harmonisierte Stundentafeln und Lehrpläne die Bildungsqualität für die Kinder wirklich verbessern, ist stark umstritten (z.B. Frühenglisch, Sexualerziehung). Dazu kommt, dass manche lokalen Schulbehörden heutzutage – aus Angst vor zentralen Rekursinstanzen – oft bürokratisch umständlich und juristisch abgesichert gegen den Einzelfall entscheiden, statt dass Anliegen der Eltern wohlwollend aufgenommen und geprüft werden, zum Beispiel wenn ein Kind die Klasse wechseln will.

Föderalismus stärken

Einzige Abhilfe aus dem Volksschulschlamassel: Starke lokale Schulbehörden, die nicht jedes Yota von Kanton und EDK vorauseilend umsetzen und sich statt dessen den Bedürfnissen der Familien vor Ort annehmen. Starke Eltern, Steuerzahler und Gemeindebürger, die in ihren Schulgemeinden Einfluss nehmen und gerade in Städten dafür sorgen, dass nicht schon ihre eigene Verwaltung zum Moloch wird. Föderalistische Bestrebungen in der Politik auf Kantons- und Bundesebene stärken. Einfluss nehmen auf den Standortfaktor Schulqualität, genau so wie der Steuerfuss oder die Infrastruktur einer Gemeinde, geht nur, wenn Schulqualität Standortfaktor bleibt. Wie wäre es übrigens mit Initiativen zur freien (wohnortunabhängigen) Wahl des Steuerortes?

Es konsterniert, dass statt dessen engagierte Persönlichkeiten und ansonsten hochvernünftige Politiker, die Protagonistin der Elternlobby, Pia Amacher, offenbar gar Hauptberuflich, ihre Energie für die Schwächung der Schulgemeinden und damit für die Stärkung des Zentralismus einsetzen. Statt dafür, die Vielfalt der Schulen zu erhalten und die Volksschule, mit der sie – zu Recht – vielenorts nicht zufrieden sind, zu verbessern. Einige der genannten Politiker (z.B. CVP-Nationalrat Gerhard Pfister) – das befremdet insbesondere – waren in kantonalen Abstimmungskämpfen flammende Befürworter der HarmoS-Bürokratie…

Matthias Hauser