Nein zum UNO-Beitritt: Streit um wenig handfeste Begriffe

Beitrittsgegner sind offenere und solidarischere Menschen

Über den Anschluss der Schweiz an multinationale Organisationen (UNO, EU, NATO) wird nicht selten auf einer wenig konkreten «höheren» Ebene gesprochen. Begriffe wie «Offenheit» und «Solidarität» werden von Anschlussbefürwortern ins Feld geführt, als wären es handfeste Argumente. Ich komme in folgendem Text zum Schluss, dass Anschlussgegner durchschnittlich offenere und solidarischere Menschen sind als Anschlussbefürworter.

Teil Eins, «Offenheit»

Wer im Staatskunde-Lexikon Facts über das Wesen der UNO nachgelesen hat, wird sich eingestehen müssen, dass folgende Fragen berechtigt sind.

Ist es wirklich ein Zeichen von Offenheit, einer Organisation beizutreten, in der fünf Staaten über Krieg und Frieden und Gerechtigkeit bestimmen und legitimiert sind, Einsätze zu beschliessen, welche anderen Staaten mitzuverantworten haben?

Offenheit bedeutet doch auch, dass kleine Staaten mitbestimmen können!

Ist es wirklich ein Zeichen von Offenheit, wenn aus der Organisation einzelne Staaten ausgeschlossen werden (Serbien-Montenegro), Staaten, zu denen wirklich kontaktoffene andere Länder, und nicht nur grundsätzlich befreundete, parteiische Staaten (in diesem Fall Russland), vielleicht Beziehungen hätten erhalten können und so schlichtend und humanitär wirken hätten können?

Offenheit ist mit Ausgrenzung nicht vereinbar!

Ist es wirklich Offenheit, wenn mächtige Länder, obwohl sie ihre Beiträge an die UNO nicht bezahlen, an ihrem Vetorecht festhalten? Das Vetorecht beweist nämlich, dass es vorab um die eigenen Interessen geht.

Offenheit lässt auch Lösungen zu, die anderen mehr als den eigenen Interessen dienen! Zudem haben eigene Interessen einzelner Staaten in Entscheidungen eines Welt-Sicherheitsrates, der gerecht sein will, eigentlich sowieso nichts verloren (Gewaltentrennung).

Ist Korruption oder sind die hintergründigen Strategiespiele, welche einzelne Länder vor den Wahlen des letzten Generalsekretärs führten, wirklich mit dem Wort Offenheit vereinbar? Die Strategen und Geldschmierer arbeiten verdeckt…

Ist es offen gegenüber Gewagtem und Neuem, wenn die Schweiz das tut, was die Mehrheit der Staaten auf dieser Welt tun? Ist Offeheit Gruppendruck (z.B. die Offenheit gegenüber der ersten Zigarette….), ist Offenheit Feigheit?

Ist Offenheit nicht vielmehr das Ergreifen einer anderen Möglichkeit?

Die Schweiz praktiziert «Offenheit» gegenüber allen, nicht nur gegenüber den von der UNO zugelassenen. Eine Offenheit, die aktiv auf andere Staaten zugeht, die humanitäre Hilfe leistet, die wissenschaftliche Projekte unterstützt (z.B. Wasserzufuhr vom Aralsee, Kirgistan, Aufbau eines Schulsystems in Bhutan, etc.). Eine Offenheit, die Vermittlungsdienste aktiv anbietet und ein sichere Infrastruktur dafür zur Verfügung stellt, die Menschen bei uns freundlich willkommen heisst und die dazu führt, dass die Schweizerinnen und Schweizer durchschnittlich mehr Fremdsprachen sprechen und ausländische Kontakte pflegen als Angehörige manch anderer Nationen: Diese Offenheit ist eine, welche die Beitrittsgegner aktiv fördern.

 

Teil Zwei, «Solidarität»

Nun noch zur Solidarität: Solidarisch sein heisst nicht, nur auf der Seite des «Stärkeren» Hilfe leisten. Militärisch sind die USA mit oder ohne NATO mit oder ohne UNO-Beschluss die stärkste Macht auf dem Planet. Wirtschaftlich gesehen kann mit einem UNO-Beschluss (Sanktionen) ein Land «ausgeblutet» werden. Ein solcher UNO-Beschluss kommt dann zu Stande, wenn vorgängig mit westlichen Massstäben die Handlungen eines Landes verurteilt werden und das Land als «Schurkenstaat» definiert wird, zum Beispiel der Irak. Alle gegen Einen: Welch eine Solidarität!

Eine neue Gesellschaft kann nicht aufgepfropft werden

Solches Verurteilen eines anderen Staates ist wahrlich ein Akt, welcher Offenheit» gegenüber anderen Gesellschaften – manchmal zu recht – komplett beiseite lässt. Diese anderen Gesellschaften sind so, wie sie in Europa auch schon waren (zum Teil noch in letzten Jahrhundert). Wie die Geschichte zeigt nützt es wenig, unsere Lehren aus Aufklärung, Revolutionen, Krieg und Weltkriegen anderen einfach als gültige Moral aufzupfropfen. Das produziert Widerstände: Westliche Flaggen werden verbrannt, nichts von Stabilität kann sich etablieren. Auch in solchen Ländern: Eine neue Ordnung wird eine neue Gesellschaft brauchen, nicht eine, die sich immer an herrschen und beherrscht werden gewohnt war, nicht eine, in der Menschenrechtsverletzungen zum Alltag gehören. Verurteilen nützt nichts: Eine neue Gesellschaft wächst nicht von oben, im Gegenteil. Die Schweiz macht das mittels «Coaching» wesentlich sanfter, zum Beispiel bei der Hilfe vom Aufbau von Demokratien.)

Solidarisch sein mit Verurteilten

Kurz: Soidarisch sein, heisst auch solidarisch sein gegenüber einem von der UNO geächteten Staat oder einer geächteten Regierung. Wir tun dies für die dortige Bevölkerung (wir waren beispielsweise das erste Land, welches in Belgrad nach den Natobomben Hilfe leiste) und wir tun dies, um beiden Kriegsparteien, der UNO und dem Schurkenstaat, jederzeit eine Verhandlungsmöglichkeit und ein sicherer Verhandlungsort zu bieten, ohne dass eine der Parteien das Gesicht verliert (so werden Verhandlungen eher möglich, als durch Gewalt erzwungen). Quasi eine Opting-Out-Möglichkeit aus der Gewalt. Es ist für den Weltfrieden unheimlich wichtig, dass eine solche Möglichkeit ausserhalb der UNO bestehen bleibt, da, wie erwähnt, die UNO immer häufiger selber zur Partei wird. Es ist nun sogar sehr solidarisch, wenn wir diese Aufgabe, die sonst kein Staat wahrnehmen kann, wahrnehmen und sie nicht der Schein-Solidarität des blossen „Dabei-sein-ist-alles“ opfern.

 

Neutraltiätsmarketing

Natürlich stünde es unserer Regierung wohl an, wenn man die guten Dienste der Schweiz und die beschriebene Art der Solidarität auch etwas aktiver aufzeigen und anpreisen würde. Zum einen auch, damit sie genutzt werden und echt ihren Nutzen entfalten, zum anderen handelt es sich dabei auch um reines Marketing, denn die ewig mühsamen und falschen Vorwürfen des Isolationismus, welche sehr selten ein Angehöriger eines anderen Staates erhebt, sehr häufig aber unsere Beitrittsbefürworter, könnten so wirksam vom Tisch gefegt werden.

Schade, dass der Bundesrat gerade an diesen Vorwürfen sehr interessiert zu sein scheint…