Fremdsprachen-Filibusterei – nicht gratis – nicht besser – nicht mehr Chancen

Die SVP-Fraktion befürwortet die Initiative „Nur eine Fremdsprache (obligatorisch) an der Primarschule“, weil der Unterricht in einer zweite Fremdsprache ohne viel Erfolg zu zeigen zuviel (Primar-)Schulzeit kosten würde. Auch Deutsch, auch logisches Denkvermögen, auch Sachwissen, Sport und künstlerische Fächer gehören ordentlich ausgebildet. Die Grundlagen dazu müssen in der Primarschule gelegt werden – und zwar in einer Sprache, die man versteht.

Entscheidungsfindungen im Leben sind immer das Resultat eines Denkprozesses, der auf Faktenwissen, Schlussfolgern und Abwägen der Zusammenhänge an Werthaltungen beruht – nicht auf Fremdsprachenkenntnissen. Wollen wir in Zukunft ein Volk von Übersetzern oder wollen wir eines von Entscheidungsträgern? Wollen wir mehr fremdsprachige Literaten oder Ingenieure? Wollen wir weise Entscheidungen oder gute Kommunikatoren, um mehrsprachig über schlechte Entscheide hinwegzuplappern?

Apropos „Hinwegplappern“: Am vergangenen Montag im Zürcher Kantonsrat hätte ich grösste Lust gehabt, jedes einzelne Argument gegen die Initiative zu zerzausen. Inhaltlich möglich wäre dies für jeden halbwegs vernünftig Denkenden Menschen ohne Weiteres; man müsste allerdings Stunden reden, um Falschaussagen der Gegenseite zu korrigieren. Filibustieren bedeutet, durch parlamentarische Dauerrede die Gegenseite zu zermürben. Im amerikanischen Senat dauerte die längste Filibusterei 24 Stunden und 18 Minuten. Hätte die Glocke des Ratspräsidenten nicht geläutet: Zur Fremdsprachenfrage hätte ich dies auch hingekriegt! Noch träume ich davon, als junger Parlamentarier, dass im Kantonsrat eine Abstimmung von derjenigen Seite gewonnen werden kann, welche die schlagenderen Argumente hat. Einmal mehr blieb dies ein Traum. Schade.

Nicht gratis!

Es wird geglaubt, eine zweite Fremdsprache auf der Primarschule könne „gratis“ eingeführt werden. Ohne zusätzlichen Lektionen wird aber zwingend in anderen Fachbereichen an Tiefe eingebüsst (wenn man einen Fluss breiter macht, fliesst das Wasser flacher. So ist es auch mit der Wissensvermittlung), Lektionen (Handarbeit) wurden gekürzt. Experten meinen, dass idealerweise mindestens 25% der Unterrichtszeit fremdsprachig unterrichtet werden müssen. Dies hat nun nur dann einen Wert, wenn der frühe Fremdsprachenerwerb wirklich viel besser wäre. Abgesehen davon, dass noch niemand ein Konzept hat, wie dies mit den 25% mit zwei Fremdsprachen, also ab der fünften Klasse, umgesetzt werden soll (25% Englisch, 25% Französisch und – nur noch – 50% Deutsch), setzt bei diesen Gedanken Irrtum Nummer zwei an, der Hauptirrtum:
Nicht besser!

Nicht besser, nur anders! Die Spracherwerbsfähigkeit wird mit zunehmendem Alter um- aber nicht abgebaut. Nicht mehr unbewusst, sondern bewusst. Nicht mehr spielerisch, sondern strukturiert, mit Schrift, mit Grammatik und Rechtschreibung – und mit Lernen. Nicht mehr irgendwie, sondern in jener Methode, die dem eigenen Lerntyp entspricht. Übrigens muss auch in der Muttersprache Grammatik, Rechtschreibung und Struktur (mühsam) erlernt werden. In rund sechs Jahren Englischkurs, begonnen im dritten Jahr der Oberstufe, mit drei Wochenlektionen (also niemals mit 25%) war es noch in den 90ziger Jahren möglich, das English Advanced Certificate zu erreichen. Das ist im Leben breiter verwendbar, als die Deutschkenntnisse unserer Kindergärtner nach sechs Jahren Sprachbad. Natürlich ist dies nicht vergleichbar. Aber welche Methode ist jetzt besser und zielführender?

Nicht mehr Chancen!

Der Irrtum Nummer drei ist der Glaube, dass die Chancen der Kinder im Leben mit Frühenglisch markant stiegen. Dabei wurden mangelnde Englischkenntnisse von Lehrbetrieben noch nie beklagt. Defizite werden hingegen oft in der Mathematik, dem Deutsch und der allgemeinen Lebenstüchtigkeit geortet.
Also, wenn wir unseren Kids etwas Gutes tun wollen, dann müssen wir bei diesen Kompetenzen ansetzen – eine zweite Fremdsprache auf der Primarschule wirkt kontraproduktiv.