Faule Kompromisse

Gegenvorschlag Grundstufe – Gegenvorschlag Abschaffung Fachstelle
(Artikel im Zürcher Boten vom 6. Juli 2012)

Von der linken Ratsseite müssen wir, wenn es um die Bildungspolitik geht, nichts erwarten. Den Linken ist ein Niveauverlust in den Fachkompetenzen in der Volksschule egal, Hauptsache die Kinder lernen “selbständig und sozial sein“ und diskutieren. Wertschöpfung wird daraus nicht entstehen (im Gegenteil, da der Leistungs- und Konkurrenzgedanke abtrainiert wird) und selbständig würden die Jugendlichen sowieso, aber sie wählen dann einst diejenigen Parteien, die gegen die sozialen Ungerechtigkeiten dieser Welt die lauteste Klappe führen. Linke Bildungspolitik ist daher seit jeher ideologisch. Die FDP macht in der Bildung bei den Linken mit, weil sie diesen Mechanismus noch nicht entdeckt hat. BDP und CVP und immerhin nur teilweise die EVP legen es darauf an, niemandem auf die Füsse zu trampen. Sie stimmen so faulen Kompromissen zu, die nur den Linken dienen. Fazit im Alltag: Weiterwursteln in alle Zukunft und der Kanton verdummt und verarmt.

Beispiele solcher Kompromisse waren am vergangenen Montag der Gegenvorschlag zur Prima-Initiative, welche die Einführung der Grundstufe für alle Gemeinden fordert, und der Gegenvorschlag zur Parlamentarischen Initiative, mit welcher ich die Fachstelle für Schulaufsicht aufheben will.

Die Grundstufe wird zur Zeit im Kanton Zürich an 87 Klassen in 27 Gemeinden als Schulversuch durchgeführt. Die Kinder aus drei Jahrgängen, die in anderen Gemeinden in vier verschiedenen Klassen eingeteilt sind (erster und zweiten Kindergarten, ersten Primarklasse und Einschulungsklasse) sind in einer Grundstufenklasse vermischt. Die Kinder sollen die Lernziele von Kindergarten und der ersten Primarklasse in ihrem eigenen Tempo erreichen, jedes Jahr geht ein Drittel der Kinder in die zweite Primarklasse, ein neues Drittel kommt dazu. Ein sehr lernschnelles Kind könnte bereits nach einem Grundstufenjahr direkt in die zweite Primarklasse, ein langsameres erst nach vier Jahren. Um dem Gewusel von unterschiedliche Lerntempi und unterschiedliche Niveaus gerecht zu werden, reicht eine Lehrperson und ein Kindergartenraum nicht mehr, Grundstufen haben auf die gleiche Kinderzahl eine halbe Lehrerstelle mehr und grössere Schulzimmer.

Was sind die Resultate vom Schulversuch?

a)    Nur wenig mehr Kinder gehen schneller oder langsamer durch die ersten drei Schuljahre als im Kindergarten.

b)    Die Lernziele des Kindergartens werden in der Grundstufe tatsächlich früher erreicht. Wenn die Kindergartenkinder aber in die erste Klasse kommen, holen sie in nur einem Jahr die Grundstufekinder ein. Obwohl diese mit den gleichen Lernzielen schon früher begannen und mehr Lehrpersonen zur Verfügung haben. Das heisst: Die erste Klasse in der Primarschule ist effizienter als die Grundstufe!

Die Grundstufengemeinden schickten einen Schwall Bettelbriefe an uns Kantonsräte, wir mögen ihnen doch den Versuch weiterhin ermöglichen. Kein Wunder: Mehr Lehrpersonen auf gleich viele Kinder bedeutet weniger Arbeit für den gleichen Lohn. Das macht zufrieden, daran wollen die Grundstufen-Lehrpersonen festhalten. Mehr noch: Wenige Eltern wissen, wie es um den Stand ihres Kindes bezüglich der Lernziele innerhalb der ersten Klasse steht, sehen aber, dass das Kind in der Grundstufe sich schon früher mit diesen befasst (Lesen, Schreiben und Rechnen im Kindergarten-Alter): Das macht auch sie zufrieden. Deshalb ist es logisch, dass die Grundstufen-Versuche eine hohe Zufriedenheit bei allen Beteiligten ergeben. Und deshalb ist der Gegenvorschlag zur Prima-Initiative, welcher die Mehrheit des Kantonsrates unterstützt, ein fauler Kompromiss. Die Gemeinden (das heisst übrigens die Schulbehörden, nicht wie bisher die Stimmbevölkerung!) sollen über die Einführung der Grundstufe selber entscheiden. Welche Schulbehörde wird auf mehr Lehrpersonen pro Kind verzichten?

Zufriedenheit hin oder her: Für die SVP kommt es nicht in Frage, dass mehr Geld ausgegeben werden soll für ein Schulsystem, in dem die Kinder am Schluss weniger fachkompetent sind. Und, falls das System in die Primarschule weitergezogen werden soll (wie sich dies die Grundstufen-Hardliner im Kantonsrat erhoffen mit dem sogenannten „altersdurchmischten Lernen“), zu weniger Wettbewerb und Leistung führt.

Noch kurz zur Fachstelle für Schulaufsicht: 52 Mitarbeiter unserer Bildungsverwaltung haben die Aufgabe, alle vier Jahre während einer Woche eine Schule zu besuchen und über sie einen Bericht zu verfassen. Je reformfreudiger die Schule, desto “hervorragender“ schneidet sie ab, “gut“ waren sowieso 95 Prozent aller Schulen. Diese Schulevaluation verursacht administrativen und finanziellen Aufwand. Wenn die 52 Evaluatorinnen und Evaluatoren stattdessen selber unterrichten würden, wäre die Hälfte des Lehrermangels behoben und mehr für die Schulqualität im Kanton getan. Deshalb wollte ich mit einer parlamentarischen Initiative die Fachstelle abschaffen. Doch offenbar nützen Schulbehörden und Schulleitungen die Evaluationsberichte, um reformunwillige Lehrerteams zu bewegen, als „Führungskrücke“. Ein Punkt, der von der Fachstelle oft moniert wurde, war, dass zu wenig individualisiert werde (die Lehrpersonen zu wenig “grundstufenmässig“ unterrichten). Der Gegenvorschlag, den alle Parteien ausser SVP, EDU und GLP anstreben, lässt die Fachstelle nur noch alle fünf (statt alle vier) Jahre in den Schulen antraben: Der administrative und finanzielle Aufwand verringert sich dadurch minim (6 von 52 Stellen), die Evaluation ist weniger häufig allerdings auch kaum besser. Aber es gelingt so, die Führungskrücke bestehen zu lassen. Die SVP hält an der Abschaffung der Fachstelle fest. Wenn die Führung Krücken nötig hat, ist etwas faul im System.