Einstieg in die Politik via Schülerparlament

Stumpfsinniges Gschmier mit einer echten Graffiti ersetzen

Manches könnte man verbessern und anzetteln: Auf dem Pausenplatz sollte es endlich eine Ping-Pong-Tisch geben, endlich spannende Spiele am Sporttagnachmittag, endlich das stumpfsinnige Gschmier an der Schulhausmauer mit einer echten Graffiti ersetzen, endlich eine Schulhaushomepage, eine Pausenkiosk, ein Abschlussball für DrittklässlerInnen, ein gescheites Thema in der Projektwoche, eine bessere Hausordnung mit Pausenplatzregeln, die greifen, wenn Schüler X wieder mal „abgeschlagen“ wird, und so weiter….

Doch da gibt’s Probleme: Erstens die Frage, wer überhaupt an Verbesserungen arbeiten darf, zweitens, wie die guten Ideen gefunden werden und drittens weiss man ja nicht, ob nachher die meisten Schülerinnen und Schüler mit dem neuen Zustand wirklich zufrieden sind (und, falls es bei der Umsetzung motivierte Helfer braucht: Nur Zufriedene packen gerne mit an). Die Lösung: Ein Schülerparlament muss her!

Es gibt sie schon

Beispiele für Schülerparlamente gibt’s einige: Die Sekundarschule Landbüel in Wil hatte schon Mitte der 80ziger Jahre ein Parlament. Das Schulhaus Käferholz in Zürich-Affoltern seit etwa zwei Jahren, im Schulhaus Buhnrain in Zürich-Seebach wird gerade eines gegründet, in Bülach wurde vor einem Jahr über die Gründung des Schülerparlaments vom Schulhaus Mettmenried in den Lokalzeitungen positiv berichtet. – Sicher kennst Du selber ein Schulhaus mit Parlament.

Wandern statt Büffeln

Parlament ist nicht gleich Parlament. Im Schulhaus Landbüel wars eine Zusammenkunft aller Sekschülerinnen und Sekschüler im Singsaal, drei Mal im halben Jahr, mit dem gleichen Vorstand (Präsident, Kassier, Aktuar, Chronist), dann waren wieder Wahlen. Die Sitzungen fanden anstelle von Franz und Mathe am Morgen statt. Wir sammelten in Wil das Altpapier und erhielten so Geld, über das wir selber bestimmen konnten: Für eine Party am Schulsilvester, einen Skitag, den Znacht am Chlaushöck, die Quartalswanderung, eine coole Projektwoche, um es jemandem zu spenden – es gibt viele Beispiele. Der Kassier musste an jeder Sitzung genau Auskunft geben, wie hoch unser Vermögen noch war. Alle zusammen haben dann Vorschläge besprochen und am Schluss darüber abgestimmt. Jeden Frühling gab’s immer drei Vorschläge (von Freiwilligen ausgearbeitet) für eine mindestens 20 Kilometer lange Wanderung oder 60 Kilometer lange Velotour. Wir haben für den attraktivsten abgestimmt, und so wanderten und bikten wir, während andere Schule hatten!

In Zürich ist es etwas anders

Im Zürcher Schulkreis Glattal besteht die Möglichkeit zum Papiersammeln für die SchülerInnen nicht. Ein grosszügiger Schulpfleger schafft Abhilfe: Während vier Jahren stellt er allen vier Glattalern Oberstufenschulhäusern pro Jahr je 1000 Franken für Projekte der SchülerInnen zur Verfügung– die Besten werden erst noch zusätzlich prämiert (Aktion „Schulhauskultur“). Und was kam heraus?

Ein Ball, ein Abschlussfest für die Drittklässler oder, in einem Schulhaus, voläufig noch nichts: Gewünscht wurde dort von allen Schülern und Schülerinnen ein Pausenkiosk – doch dafür wird man kein Geld brauchen: Normalerweise verdient man daran sogar. Voilà, sie ist gefunden, die Einnahmequelle für städtische Schülparlamente, die erst noch schönere Pausen bringt! Es gibt noch mehr Möglichkeiten, die Einnahmen versprechen: Hilfseinsätze z.B. für ein Naturschutzgebiet und Leute, die dafür der Schule etwas bezahlen, Sponsorenlauf, bei einem konkreten Projekt auch Sponsoring durch Unternehmen.

Schlimmeres Dreingerede als im Nationalrat

In einem kleinen Schulhaus ist es natürlich einfach: Alle SchülerInnen und Schüler können am Parlament teilnehmen. In einem grossen Schulhaus, wie dem Zürcher Buhnrain beispielsweise, mit mehr als 20 Klassen, wird’s schwieriger. Es gäbe eine Sitzung mit 400 Jugendlichen, die alle etwas zu sagen haben. Kannst du dir das vorstellen? Es gäbe ein schlimmeres Dreingerede als im Nationalrat. Also muss ein „Delegiertensystem“ her: Delegierten sind gewählte Schülerinnen und Schüler, von jeder Klasse jemand, welche obligatorisch die Meinung der Klasse im Parlament vertreten. Sie müssen vorher in der eigenen Klasse alle Fragen vom Parlament besprechen, und nachher – persönliche Meinung hin oder her – sich für die Klasse im Parlament stark machen. Ob sich nun die Delegierten in der Freizeit oder der Schulzeit zum Parlament treffen, ob das Parlament „Botschafter“ an den Konvent der Lehrerschaft schicken darf, ob es eine eigene Kasse (ein Konto) für die Schüler gibt – das hängt alles von der „Grosszügigkeit“ und dem fortschrittlichen Geist im jeweiligen Schulhaus ab. Hoffentlich überwiegen diejenigen Lehrkräfte, die Vertrauen in die Schülerschaft haben, denn:

Im Parlament lernt man fürs Leben

Man lernt, wie eine Sitzung geführt wird. Und man lernt vor allem, wie man vorgehen muss, damit möglichst gerechte Entscheide gefällt werden. „Gerecht“ sind Entscheide, mit denen die Mehrheit am Schluss zufrieden ist und unter denen niemand leiden muss. Das ist Demokratie, und alle wichtigen Entscheide in der Schweiz bauen auf diesem Prinzip – deshalb macht die SVP hier auch Werbung dafür – und das ist nötig:

An Mittelschulen und der Uni besteht nämlich nur selten echte Demokratie unter den Schülerinnen und Schülern: Nicht alle bestimmen, sondern oft nur diejenigen, die überall aktiv sind und die lauteste Klappe haben. Stell dir vor: 1991 haben wir zu elft (11) an einem Workshop der Union der Schülerorganisationen Schweiz und Liechtenstein (USO) die Meinung der gesamten Schweizerischen Schülerschaft zum EWR-Beitritt (EWR = Europäischen Wirtschaftsraum) aufgeschrieben – und diese erschien dann überall in den Medien. Keiner von uns elf SchülerInnen-Organisationsvertretern hatte zuvor im eigenen Schulhaus eine Abstimmung durchgeführt. Ist das gerecht?

Nicht aufs Maul hocken!

Ist die Meinung der Studierenden an der Uni wie sie ab und zu in Zeitungen veröffentlicht wird, wirklich eine Meinung der Studierenden? Nein – denn gemacht wird diese Meinung von einem Studierendenrat, eine Art Parlament, das nur von etwa 5 bis 10 Prozent aller Studierenden überhaupt gewählt wird! Die Mehrheit bleibt also ausgeklammert. Oft stehen persönliche Interessen im Vordergrund, nicht der Wunsch nach Verbesserungen für alle. Solche Missbräuche gibt in der Politik viele: Die EU beispielsweise hat ein System, welches genau dies zulässt. Oder, die Jugendsession, die jeden Herbst im Bundeshaus tagt und das Wort im Namen aller Jungen (auch in deinem Namen) ergreift – wurdest du schon jemals gefragt?

Mit Mut in die Zukunft

So nun los! Mach mal eine Liste, was man in deinem Schulhaus alles Verbessern könnte, besprich sie mit einer Lehrperson, die dein Vertrauen geniesst, oder – falls ihr schon habt – versuch sie ins SchülerInnenparlament einzubringen. Es braucht ein bisschen Mut dazu (man spricht hier auch von Zivilcourage) – aber nur mit Mut geht’s vorwärts im Leben. Und wenn Ihr noch keine Schülerparlament habt: Eben, der Frühling kommt, der Winterschlaf ist vorbei – Gründet eins!

Interessiert ? Hast du Fragen zum Thema SchülerInnenparlament? Brauchst du Tipps oder Unterstützung?

Autor:
Matthias Hauser war Präsident eines SchülerInnenparlaments (Sek) hatte das Ressort Schulpolitik im Vorstand einer SchülerInnen-Organisation (SO), womit er die SchülerInnenschaft im LehrerInnenkonvent und gegenüber der Union der Schülerorganisationen (USO) vertrat, war immer ein Gegner aktivistischer Studentenpolitik (da diese undemokratisch ist).