Die Ausnahme vom Gesetz im Einzelfall: Ein neues parlamentarisches Instrument! Der volle Betrag gehört in mittelfristigen Ausgleich!

Das Gesetz für Controlling und Rechnungslegung des Kantons Zürich (CRG) sieht vor, dass innerhalb einer Periode von acht Jahren die Rechnung des Kantons immer positiv oder ausgeglichen sein muss (mindestens gleich viel Ertragsüberschuss wie Defizit). Dieser „mittelfristige Ausgleich“ ist dem Gesetz aus der Kantonsverfassung vorgeschrieben. Die Regierung hat beantragt, 1.6 Milliarden Franken, der Grossteil der Einmaleinlage zur Sanierung der Beamtenversicherungskasse (2 Milliarden), nicht in den mittelfristigen Ausgleich einzurechnen.
 
Hier mein Votum dazu (Kantonsratssitzung vom 2. April 2012):

Wenn wir heute den 1.6 Milliarden Franken, den Grossteil des Defizites der laufenden Rechnung des Kantons Zürich 2011, aus welchen Gründen auch immer, vom mittelfristigen Ausgleich ausnehmen, so verstossen wir nicht nur gegen die Verfassung, sondern auch gegen das geltende CRG.

Der Regierungsrat ist sich dieser Problematik bewusst. Er hat deshalb verschiedene Varianten evaluiert. Nämlich:

  •  Eine Übergangsreglung zum CRG vorzuschlagen
  • Eine Gesetzesänderung des CRGs vorzuschlagen, welche bei der nächsten CRG-Revision wieder rückgängig gemacht werden soll.

Beide Varianten wurden nicht verwirklicht: Stattdessen hat die Regierung entschieden, den Kantonsrat als gesetzgebende Behörde anzufragen, ob eine Einzelfall-Ausnahme vom Gesetz genehmigt würde. Wenn die gesetzgebende Behörde eine Ausnahme vom von ihr selbst gemachten Gesetz gutspricht, sei das rechtlich in Ordnung. So haben juristische Abklärungen ergeben. Der Beschluss ist referendumsfähig und wird in die Gesetzessammlung des Kantons Zürich eingeordnet.

Ich bin sehr interessiert, dass an einem naturbelassenen Waldrand, eine wunderschöne Aussicht hat es da, ein Restaurant die touristische Attraktivität meiner Wohngemeinde erhöht. Deshalb werde ich das Land in der Landwirtschaftszone kaufen und demnächst das Parlament ersuchen, ein Zusatzblatt in die Gesetzessammlung des Kantons aufzunehmen, eine Ausnahme vom geltenden Baurecht und Richtplan. Zudem hätte ich gerne ein Zusatzblatt zur Finanzierung von Lehrerstellen in meiner Schulgemeinde. Und so weiter. Viele Bürgerinnen und Bürger, viele Interessenvertreterinnen und Interessensvertreter hätten gute Ideen für Gesetzesbrüche und könnten diese dem Kantonsrat vorlegen! Mit Zusatzbeschlüssen Gesetzesausnahmen zu definieren und diese der Gesetzessammlung einzufügen ist absurd und deshalb ist dafür auch kein parlamentarisches Instrument vorgesehen. Wir können normalerweise nur Gesetze ändern, und dann gelten sie für alle gleichen Situationen.

Insofern ist der heutige Beschluss, ein Defizit aus den Bestimmungen des CRG auszunehmen, ein Novum. Ein neues Instrument. Diese staatspolitisch-parlamentarische Bedeutung des Beschlusses hat noch niemand gewürdigt. Schaffen wir diesen Präzedenzfall – Schaffen wir das Instrument der Gesetzesausnahme ohne Gesetzesänderung – Schaffen wir damit auch eine neue, attraktive Möglichkeit für parlamentarische Vorstösse: Diese hat allerdings den grossen Nachteil, dass unsere eigenen Gesetze massiv an Verbindlichkeit einbüssen, jeder kann ja eine Ausnahme beantragen. Das Parlament wird zum Gesetz. Das ist rechtsstaatlich problematisch und schadet dem Standort.

Auch aus diesem Grund dürfen wir der Ausnahme aus dem CRG niemals zustimmen. Defizite fallen eindeutig unabhängig von ihrer Begründung unter die Bestimmungen des mittelfristigen Ausgleichs und müssen so zwingend Wirkung auf die künftige Budgetierung entfalten.