Berufsaufträge: Schulleiter geniessen Vertrauen – Lehrpersonen werden kontrolliert

Das Vertrauen im Bildungssystem ist auf die Mitarbeiter umgekehrt proportional zu deren Wirksamkeit für Schulqualität verteilt. Während sich Schulleiter ihren Berufsauftrag selber formulieren dürfen – sie werden mit Vertrauen geführt – bejubeln sie und die Behörden, dass sie mit dem Berufsauftag für Lehrpersonen ihre Angestellten besser kontrollieren können. 

Der Bericht der Zürcher Regierung zum Postulat „Berufsauftrag für Schulleitende“, welches ich 2009 zusammen mit je einer FDP und CVP Politikerin eingereicht habe, brachte diesen Unterschied in der Vertrauensgewährung gegenüber Schulleitungen und Lehrpersonen deutlich zu tage. Es wurde vom Kantonsrat am 16. April 2012 abgeschrieben (Vorlage 4823). Mein Votum dazu:

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Sehr geehrte Damen und Herren

Schulleitende, Schulpräsidenten und die Bildungsdirektion bejubeln den Berufsauftrag.Der Berufsauftrag sei ein Führungsinstrument, endlich kann mit ihm der Beitrag eines Mitarbeiters an sein Team festgestellt und validiert werden. Die tägliche Erfassung seiner Arbeitszeit sei für den Mitarbeiter das kleinere Übel, denn schliesslich kann man nur so auch wahrnehmen, wie viel er tatsächlich arbeite, ihn dafür wertschätzen oder entlasten.

So argumentieren sie, zusammen mit der Mehrheit der kantonsrätlichen Kommission für Bildung und Kultur, wenn es um den Berufsauftrag für Lehrpersonen geht. „Steuerungsinstrument“ jubilieren Schulleiter und Schulpräsidenten.

Wer mit Führung zu tun hat, weiss, dass Vertrauen und Kontrolle sich ein wenig beissen.

Statt ihren Lehrpersonen und einigen älteren Studien zu glauben, dass sie viel arbeiten, und deswegen Massnahmen beschliessen, wünschen sie zu kontrollieren, ohne dass sie wirklich greifende Massnahmen im Peto haben.

Sie werden mit dem neuen Berufsauftrag für Lehrpersonen in die Lage versetzt, jenen Lehrpersonen, die viel Zeit in die Klassenführung und Schüler investieren, statt in die Teamarbeit und Bürokratie und statt in die Zeiterfassung für den Berufsauftrag – jene Lehrpersonen mit konkreten Zahlen abzumahnen.

So funktioniert das Steuerungsinstrument.

Schulleitende haben mehr Freiheiten als Lehrpersonen. Sie wurden zur Entlastung von Behörden und Lehrpersonen geschaffen und sind nun selbst überlastet. Sie definieren einen grossen Teil ihres Zeitmanagements selbst, beeinflussen massgeblich sogar Schwerpunkte in denen ihnen die Mitarbeiter folgen müssen. Schulleitungen arbeiten manchmal nachts zu Hause, können dafür tagsüber, während der Schulzeit, auch einmal einer familiären Angelegenheit, einem Bankgeschäft oder einem Autogaragen oder Coiffeurtermin nachgehen.

Eine Lehrperson, die auch nachts arbeitet, könnte sich das nie erlauben, nicht einmal ein privates Telefon währen der Arbeitszeit, das gehört sich auch so, aber eigentlich auch für Schulleitende.

Schulleitende delegieren oft bürokratische Aufgaben an Lehrpersonen, zum Beispiel den Stundenplan, die Wahlfachorganisation, die Organisation von Teamweiterbildungen. Niemand kontrolliert die Schulleitungen, denn hier wird mit Vertrauen geführt.

Deshalb darf sich der Schulleiterverband den Berufsauftrag auch selber formulieren. Seine wesentlichen Linien sind ja in Gesetz, Verordnung und Merkblatt der Bildungsdirektion festgehalten. So wird in dieser Vorlage argumentiert.

Nun, auch die Tätigkeiten der Lehrpersonen gehen aus dem Lehrerpersonalgesetz, der Lehrerpersonal­verordnung, dem Volksschulgesetz und der Volksschul­verordnung hervor. Trotzdem dürfen sich die Lehrpersonen ihren Berufsauftrag nicht selber geben. Hier formuliert die Bildungsdirektion und formulieren Schulleitende und Schulpräsidenten eifrig mit. Hier wird mit Kontrolle geführt.

Kein Geschäft hat diesen eklatanten Unterschied im Umgang mit Lehrpersonen und Schulleitungen jemals so gut dokumentiert, wie dieses, das wir heute abschreiben.

Vertrauen für die Schulleitungen, Kontrolle für die Lehrpersonen. Obwohl sie gerade von Lehrpersonen erwarten, dass sie als Vorbilder von Selbstmanagement, Eigenverantwortung und Persönlichkeit den Kindern begegnen.

Das Vertrauen im Bildungssystem ist auf die Mitarbeiter umgekehrt proportional zu deren Wirksamkeit für Schulqualität verteilt. Das muss zu denken geben und als Ausfluss aus diesen Gedanken, müssten Sie, um konsequent, ehrlich und schulqualitativ wirksam zu sein, nicht nur diese Vorlage abschreiben, sondern den Berufsauftrag für Lehrpersonen auch möglichst rasch beerdigen. Anders als Schulleitende wollen, anders als Schulpräsidenten wollen und anders als die KBIK-Mehrheit will. Kommen sie also in den Fraktionen darauf zu sprechen – damit wäre allen gedient.

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