Aufnahmeprüfung beibehalten: Das ungehaltene Votum

Unsäglicherweise hat der Kantonsrat mit 61 Stimmen eine Parlamentarische Initiative (PI) vorläufig unterstützt, welche die Abschaffung der Aufnahmeprüfung in die Mittelschulen verlangt. Wenigstens nur 61 Stimmen – das ist noch keine Mehrheit. Aber den Initianten ist es gelungen, ein Zeichen zu setzen und der Rat muss das Begehren nun in der ständigen Kommission für Bildung und Kultur behandeln, welche dem Rat definitiven Antrag stellt. Folgendes Votum ist ungehalten, da ich als Stimmenzähler-Stv. bei den Wahlen der Richter engagiert war und PI’s nur reduzierte Debatten sind. Wäre es gehalten worden, wären die 61 Stimmen nicht zu Stande gekommen…

Gymnasien nur für kognitiv exzellente Jugendliche

Unser herausragendes System der Berufsbildung ist staatlich beaufsichtigt und so organisiert, dass in jedem Beruf auf jedem Niveau Kompetenzen erworben werden können, die Karrierechancen eröffnen. Alle im Kanton Zürich können weiterkommen, auch wer keine Mittelschule besucht.

Übertreten in die Mittelschule kann man aus der Volksschule drei Mal: Nach der Primarschule, nach der 2. Sek und nach der 3. Sek. Offen bleibt der Weg über die Erwachsenenmaturität. Oder, wer später eine Fachhochschule besuchen möchte, kann dies mittel Berufsmittelschule während oder nach der Lehre erreichen. Es ist deshalb keine persönliche oder familiäre Katastrophe, wenn Sohn oder Tochter nicht im Gymi ist. Die Frage stellt sich also, welchen Jugendlichen erlauben wir, eine Mittelschule auf Kosten der Gemeinden und des Kantons zu besuchen. Welchen Jugendlichen sollen wir gratis prüfungsfrei den Eintritt an Universität und ETH ermöglichen?

Unsere Antwort: Schülerinnen und Schüler mit hoher kognitiver Intelligenz, die auch betreffend Arbeitshaltung zu hohen Leistungen imstande sind, die darüber hinaus fachliches Interesse und hohe Motivation für die Fächer haben, welche in Mittelschulen vermittelt werden.
Ich ärgere mich – und tat mich das schon als Schüler – wenn Mittelschüler solche sind, weil sie nicht wissen, welche Lehre zu ergreifen, weil sie sich irgendwann einmal die Türe zur Uni offenhalten wollen, etc. Solche schleichen sich als Minimalisten durch die vier Jahre zur Maturität, nörgeln, wenn viel verlangt wird, ziehen das Niveau herunter, bereits in der Mittelschule aber auch beim Studieneintritt, dem sie dann oft nicht genügen.

Ausgewogener Dreiklang der Selektion: Erfahrungsnote, Aufnahmeprüfung, Probezeit

Wie selektionieren wir die fachlich Exzellentesten mit guter Arbeitshaltung? Die Probezeit ist ein Mittel dazu. Die Vornoten in der Sek oder Primarschule sind ein Mittel dazu. Aber auch die Aufnahmeprüfung ist ein Mittel dazu. Erfahrungsnote, Aufnahmeprüfung, Probezeit: Zusammen ein ausgewogener Dreiklang der Selektion. Die Aufnahmeprüfung ist dabei das einzige Element, welches erwiesenermassen für alle Schülerinnen und Schüler eines Jahrganges gleich geeicht angewandt wird, welches ein objektiver Quervergleich erlaubt. Das ist nicht nur Hürde, sondern auch Chance für Kinder, die vielleicht von ihrer bisherigen Schulkarriere her nicht für eine Mittelschule empfohlen werden. Aufnahmeprüfungen erfordern von allen Vorbereitung. Es ist ein Fehler, für diese Vorbereitung Kurse anzubieten: Es geht ja gerade darum, diejenigen Jugendlichen zu selektionieren, welche zur notwendigen Eigenleistung im Stande sind. Hier muss man zurückbuchstabieren. Die Aufnahmeprüfung ist der einzige objektive Quervergleich, den die Auszubildenden bis zur Universität erleben. Ausser einem ärztlichen Zeugnis, welches zu einer Nachprüfung führt, wird kein Entschuldigungsgrund akzeptiert: Totale Chancengleichheit.

Prüfungen innerhalb der Mittelschulen und sogar die Maturitätsprüfungen sind Schul- und Lehrpersonen abhängig. Wer die Noten Ende Semster nicht erreicht, erhält eine weitere Chance im Provisorium, bevor er repetieren kann. Aus einer Mittelschule herauszufliegen, ist schwer. Ein relevanter Quervergleich zu Beginn einer Mittelschulkarriere ist daher angebracht.

Prüfungen bestehen ist in vielen Lebensbereichen nach wie vor das angewandte Selektionsinstrument. Dies nicht weil es über allen Zweifeln erhaben wäre, sondern, weil es kein besseres gibt. Unverständlich, wenn gerade bei einem wichtigen Schritt, wie der Aufnahme an eine Mittelschule, auf eine Prüfung verzichtet werden soll. Vergessen Sie bitte nicht, dass zum Beispiel für Lehrstellen, im Gegensatz zur Forderung dieser PI, zunehmend Prüfungen verlangt werden. Multicheck, Basiccheck, Stellwerktest, Eignungsprüfungen von Verbänden oder sogar von einzelnen Betrieben.

Was allerdings bei den Aufnahmeprüfungen gelten sollte, ist, dass sich das Bestehen nicht an Prozentsätzen, sondern an fachlichen Anforderungen misst. Vornoten der Volksschule werden von den Prüfungskommissionen der Gymnasien verdächtigt, nicht objektiv zu sein. Neue Lehrmittel erschweren die geeichte Publikation von Prüfungsaufgaben. Deshalb kommt es vor, dass bei der Zentralen Aufnahmeprüfung an Mittelschulen NACH der Aufnahmeprüfung festgelegt wird, welcher Notenmassstab auf eine Prüfung angewandt wird. So wurde die Note der Mathematik-Aufnahmeprüfung im letzten Februar um 1 angehoben, damit der Schnitt von 2.5 auf 3.5 steigt. Nur so haben 50 Prozent der Prüflinge bestanden. Dieses Vorgehen geht nicht! Ungenügend muss Ungenügend bleiben. Das Beispiel spricht nicht für die PI, im Gegenteil, es spricht dafür, Prüfungen die nötige Nachachtung zu verschaffen und Scheitern zuzulassen. Sonst geben wir uns klüger, als wir sind, respektive sind dümmer, als wir scheinen. Lehnen Sie die PI ab.